Magdeburg (dpa) – Der Frust der Handballfans vor dem Fernseher war genauso groß wie bei Filip Jicha.
Als der enttäuschte Trainer des Titelfavoriten THW Kiel die 31:32 (19:18)-Niederlage beim SC Magdeburg am ARD-Mikrofon analysierte, bekamen die eineinhalb Millionen TV-Zuschauer am Samstagabend davon ebenso wenig mit wie von der spannenden Schlussphase des Bundesliga-Topspiels. 40 Sekunden vor dem Ende blendete das Erste beim Stand von 32:30 plötzlich aus – statt Dramatik gab es Werbung und die Ziehung der Lottozahlen.
«So geil das Spiel war, so mies war es von der ARD!!! Schämt Euch», schimpfte Melsungens Nationalspieler Tobias Reichmann via Instagram. «Das würde es beim Fußball im Leben nicht geben. Einfach respektlos dem Handball gegenüber.» Die «Sportschau»-Redaktion begründete die Panne mit einem technischen Problem und entschuldigte sich kurz nach dem Abpfiff via Twitter dafür. Prompt entlud sich in den sozialen Netzwerken ein Sturm der Entrüstung.
1,57 Millionen Zuschauer an den TV-Geräten und 6600 Fans in der Halle hatten ein hochklassiges Spiel erlebt, in dem der Pokalsieger und EHF-Cup-Gewinner aus Kiel am Ende den ersten Rückschlag im Meisterrennen hinnehmen musste. «Das ist eine schmerzhafte Niederlage, weil wir bis zum Schluss gekämpft und alles gezeigt haben», sagte Jicha mit traurigem Blick. Bester SCM-Werfer war Michael Damgaard (6 Tore), bei Kiel traf Niclas Ekberg (11/5) am besten.
Vor dem 101. Nord-Derby gegen Titelverteidiger SG Flensburg-Handewitt (7:1 Punkte) am kommenden Donnerstag steht der Rekord-Champion (4:2) damit bereits unter Druck. «Das ist schon ein Muss-Spiel», sagte TV-Experte Stefan Kretzschmar bei Sky.
Beim Vorjahresdritten Magdeburg war die Stimmungslage eine ganz andere. «Wenn man am Ende als Sieger vom Feld geht, hat es immer viel Spaß gemacht. Wir werden diesen Erfolg genießen», sagte SCM-Trainer Bennet Wiegert. Mit 8:0 Punkten grüßt sein offensivstarkes Team, das in jedem seiner bisher vier Saisonspiele mehr als 30 Tore geworfen hat, vorerst von der Tabellenspitze.
Dorthin soll Zwei-Meter-Hüne Jicha die Kieler nach vier Jahren ohne Meistertitel und dem Ende der Ära von Erfolgstrainer Alfred Gislason wieder führen. Doch der Weg wird beschwerlich. «Es war ein überragendes Spiel von beiden Seiten, aber wir haben in der zweiten Halbzeit zu viele technische Fehler gemacht», sagte THW-Kapitän Domagoj Duvnjak.
Mitte der zweiten Halbzeit lagen die Gäste noch mit zwei Toren vorn (26:24), doch ein 0:5-Lauf brachte die Wende. «Da haben wir sie dreimal zum Tempogegenstoß eingeladen», kritisierte Jicha und resümierte: «Wir haben in der zweiten Halbzeit zu viele Fehler gemacht, die uns den Sieg gekostet haben.»
Der muss nun gegen Flensburg her, sollen die Titelträume an der Förde nicht frühzeitig platzen. «Das wird ein ganz anderes Spiel», prophezeite Nationalspieler Patrick Wiencek. «Der wichtigste Unterschied: Wir spielen mit unseren Fans im Rücken.»