Der Rausch des Pokal-Triumphs ist abgeklungen – und dürfte den THW Kiel dennoch mit ordentlich Rückenwind versorgen vor dem Saisonendspurt, der für die „Zebras“ mit einem Heimspiel-Doppelpack in der Handball-Bundesliga gegen Wetzlar (Donnerstag) und Melsungen (Sonntag) beginnt – und mit dem Final4 der Champions League in Köln enden soll. Mit Optimismus blickt Kiels Geschäftsführer Viktor Szilagyi auf die kommenden Wochen – auch wenn viel Arbeit auf ihn wartet.
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Herr Szilagyi, haben Sie die Emotionen und Feierlichkeiten rund um den Pokalsieg gut verarbeitet und überstanden?
Ja, der Alltag kommt relativ schnell zurück. Aber trotzdem war es wichtig, dass man diese Zeit zusammen nutzt, allen voran am Sonntag nach dem Spiel. Das Finale war ja relativ früh, von daher war der Abend noch jung und wir hatten eine gute Zeit. Das ist ein schöner Tag gewesen, den wir sehr genossen haben. Das Team hatte dann am Montag frei – und am Dienstag ging es schon wieder los mit der Vorbereitung auf das nächste Bundesligaspiel.
Lassen Sie uns auf den Liga-Endspurt blicken. Gibt es noch eine Chance auf den Meistertitel? Oder ist das Risiko größer, Platz zwei noch zu verlieren?
Wir sind realistisch und beschäftigen uns nur mit den Sachen, die wir selbst in der Hand haben – und das ist der zweite Platz, der aus sportlicher und wirtschaftlicher Sicht für uns elementar wichtig ist. Wir wollen Champions League spielen. Ein Spieler ist beim THW, weil er Champions League spielen will. Da ist unser absoluter Hauptfokus drauf. Ich glaube nicht daran, dass die Magdeburger das noch einmal aus der Hand geben. Wir müssen unsere Spiele gewinnen, um den zweiten Platz zu sichern. Wenn wir dadurch auch den Druck auf Magdeburg erhöhen können und sich doch noch die Chance ergibt, dann wollen wir natürlich zuschlagen und werden nicht sagen, dass uns das nicht interessiert. Aber es wäre vermessen jetzt darüber zu reden. Man muss respektieren, was Magdeburg geleistet hat – und wenn sie das durchziehen, dann werden sie auch vollkommen zurecht Deutscher Meister.
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Die nationale Konkurrenz scheint größer zu werden. Fürchtet der THW diese Konkurrenz – oder ist sie eher Ansporn, selbst noch besser zu werden?
Konkurrenz spornt immer an. Ich war mehr darüber überrascht, dass in den vergangenen Jahren der Vorsprung von Flensburg und Kiel so groß war, als jetzt über die Tatsache, dass wir mehr oder weniger einen Vierkampf haben. Auch in anderen Vereinen wird gute Arbeit geleistet. Und für die Bundesliga ist es von der Spannung her sicherlich gut, wenn es mehr Teams gibt, die ganz oben mitspielen.
Wie wahrscheinlich ist für den THW der Titel in der Königsklasse?
Zuerst einmal steht das Viertelfinale gegen Paris an, auf das wir uns sehr freuen, das aber auch eine große Herausforderung darstellt. Am Anfang der Saison waren unsere Ziele die Qualifikation für die Champions League und beide Final Fours zu erreichen. Wir wollen unbedingt in Köln dabei sein, müssen dafür aber erst einmal das Viertelfinale erfolgreich bestreiten. Das wird ein hartes Duell, das erst beim Rückspiel in Kiel entschieden wird.
Ein Blick in die Zukunft: Im Sommer 2023 verlassen mit Torwart Niklas Landin (nach Aalborg) und Sander Sagosen (nach Kolstad) zwei Topspieler den THW. Ziehen spätestens diese beiden Abgänge einen größeren Umbruch beim THW nach sich?
Ich bin kein großer Freund von dem Wort Umbruch. Es ist klar, dass es immer wieder Veränderungen im Kader gibt. Wir haben immer betont, dass wir gerade mit diesen beiden Spielern gerne weitergearbeitet und rund um sie auch neue Spieler integriert hätten, was zweifelsohne ja auch ansteht. Aber jetzt ist es eben so, dass wir frühzeitig Klarheit haben, und wir wissen, was wir zu tun haben. Das sind zwei Ausnahmekönner, die mit ihren individuellen Qualitäten nicht eins-zu-eins zu ersetzen sind. Aber so wie immer im Mannschaftssport wird das über das Kollektiv gehen – und wir sind optimistisch, dass wir wieder die richtigen Charaktere und Spielertypen finden werden, um weiter erfolgreich zu sein.
Gibt es ein Szenario, in dem Sagosen oder Landin früher als 2023 gehen?
Nein, das steht nicht zur Debatte.
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Im Sommer 2023 laufen zudem einige Verträge aus. Außerdem hat der aktuelle Kader dann einen relativ hohen Altersschnitt. Sorgt das für erhöhten Handlungsbedarf?
Unabhängig von den Abgängen von Niklas Landin und Sander Sagosen wird es Veränderungen geben – auch mehr als wir es zuletzt hatten. Auf der einen oder anderen Position werden wir – aber das ist der Lauf der Zeit – sicherlich auch Verjüngungen vornehmen. Aber noch ist bei keinem der Spieler, die einen Vertrag bis 2023 haben, schon eine Entscheidung gefallen, dass er uns dann definitiv verlassen wird. Es ist auch nicht immer nur das Alter entscheidend, sondern die Verfassung. Wir haben aktuell auch ein paar ältere Spieler, die aktuell in einer stärkeren Verfassung sind als vor zwei, drei Jahren.
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Die Gefahr eines klassischen Umbruchs – also wenn man den groben Kern einer Mannschaft verändert – ist, dass eine gewisse Mentalität, die man sich über Jahre erarbeitet hat, verloren geht und dass das von Neuem aufgebaut werden muss. Von daher ist es schon das Ziel, punktuell mit dem einen oder anderen erfahrenen Spieler zu verlängern, um auch diesen Geist weiterzutragen und es den vielleicht nicht so erfahrenen, jüngeren Spielern einfacher zu machen, sich integrieren zu können.
Wir haben Aalborg und Kolstad angesprochen, die sich – überspitzt formuliert – ihre dänische beziehungsweise norwegische Nationalmannschaft zusammenkaufen. Befürchten Sie nun auch noch Anrufe bei Magnus Landin oder Harald Reinkind?
Das ist nicht ausgeschlossen. Gerade durch diese beiden finanzstarken skandinavischen Clubs ist in der internationalen Konkurrenz eine ganz andere Dynamik reingekommen. Aalborg ist ein sehr gefestigtes System, die haben auch sehr clever verpflichtet und werden ein absolutes Topteam haben in den nächsten Jahren. Bei Kolstad bin ich da etwas vorsichtiger. Ich glaube, dass das Projekt noch nicht ganz bis zu Ende gedacht ist.
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Wie meinen Sie das?
Man muss abwarten, wie nachhaltig das ist. Ich habe Äußerungen gehört, dass das Ziel dort ist, erst die norwegische Meisterschaft zu gewinnen und dann ein paar Mal die Champions League. Das zeigt mir eher, dass man dort nicht zu 100 Prozent einschätzen kann, was es bedeutet, in der Champions League erfolgreich zu sein. Da braucht man beispielsweise nur in Paris oder Veszprem zu fragen, die schon deutlich mehr investiert haben ohne den großen Erfolg in der Königsklasse, den Kolstad in seiner aktuellen Planung hat.
Dennoch wird auch Kolstad wohl ein Schwergewicht werden…
Wir kämpfen immer mehr mit besonderen Herausforderungen in dieser Konkurrenzsituation. Clubs, die über das Mäzenatentum kommen. Clubs, die steuerliche Vorteile uns gegenüber haben. Das ist auch ein Resultat davon, dass sich die Champions League gut entwickelt hat und für diese Clubs wirtschaftlich interessant ist. Das ist eine Bewegung, die nicht nur uns als THW Kiel, sondern alle Bundesliga-Clubs vor Aufgaben stellen wird. Wir müssen nicht nur das Aufkommen der Konkurrenz erkennen, sondern es auch wahrnehmen, die richtigen Schlüsse daraus ziehen und auch gemeinsam Dinge umsetzen – zum Beispiel über den Spielplan und die Belastungssituation sprechen.
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Für Sagosen und Niklas Landin war es der Lockruf der Heimat…
Vieles hat sich sicherlich auch durch die Corona-Pandemie entwickelt, verändert, verlagert – ganz speziell bei Spielern, die es viel mehr als früher wieder nach Hause zieht. Wenn da dann auch noch Clubs in der Lage sind, wirtschaftlich nicht nur mitzuhalten, sondern auch zu überbieten, dann ist das schon nochmal eine andere Qualität an Konkurrenz, die dazugekommen ist.
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Beim Heimat-Argument kann der THW bei ausländischen Spielern emotional nicht mitgehen. Wäre es nicht auch eine Option, mehr auf deutsche Spieler zu setzen?
Doch natürlich. Aber es ist ja nicht so, dass wir irgendwann mal gesagt haben, dass uns deutsche Spieler nicht interessieren. Wir haben sehr gerne deutsche Nationalspieler und beobachten auch deren Entwicklung. Trotzdem ist auch für jeden Spieler wichtig, dass der Schritt zum THW nicht vielleicht zu früh kommt. Da sind wir aber auch seit längerer Zeit mit dem einen oder anderen in Kontakt, bei dem man den Weg ein bisschen begleitet.
Wir sind nicht in der Situation, dass wir einfach über 30 Spieler unter Vertrag nehmen können und dann hoffen, dass wir die schon irgendwohin ausleihen. Wir haben in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ligen ein strenges Lizenzierungssystem und können nicht einfach alles Mögliche versprechen – und das ist auch gut so. Dadurch sind die Clubs gesund aufgestellt und die Spieler haben deutlich mehr Sicherheit. Es hat sich gezeigt, dass sich die Clubs, die auch wirtschaftlich nicht jede Bewegung mitmachen, sondern auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegt sind, konstant an der Spitze halten können.
Also lieber solide und mit cleverem Blick agieren als mit dem großen Portemonnaie?
Über allem steht der Verein. Der Club muss gesund aufgestellt sein. Und dafür müssen wir die Risiken minimieren. Davon werden wir auch nicht abrücken. Unsere Vorzüge und Alleinstellungsmerkmale, daran müssen wir arbeiten.