Dortmund (dpa) – Für Johannes Bitter war in diesem Jahr schon ein paar Tage früher Weihnachten. Der Weltmeister von 2007 erhielt das EM-Ticket von Bundestrainer Christian Prokop und feiert nach sechs Jahren eine spektakuläre Rückkehr zwischen die Pfosten der deutschen Handball-Nationalmannschaft.
«Natürlich wurde ein bisschen gefeiert, weil es ja was Besonderes ist», sagte der 37 Jahre alte Torwart-Oldie über sein sensationelles Comeback. «Ich bin natürlich sehr froh und sehr stolz, jetzt wieder in diesem elitären Kreis unterwegs zu sein und freue mich darauf, die Hymne wieder zu singen.»
Bei der Endrunde vom 9. bis 26. Januar in Norwegen, Österreich und Schweden wird Bitter gemeinsam mit Andreas Wolff (KS Vive Kielce) das Torhütergespann bilden. Für Silvio Heinevetter (Füchse Berlin), der seit den Olympischen Spielen 2016 alle großen Turniere bestritten hatte, blieb wie für Dario Quenstedt vom Bundesliga-Spitzenreiter THW Kiel kein Platz im 17 Spieler umfassenden EM-Kader, mit dem Prokop ab 2. Januar die Vorbereitung auf das Turnier aufnehmen wird. Bis spätestens einen Tag vor dem EM-Auftakt muss er noch einen Spieler streichen.
Den Ausschlag für Bitter hätten dessen «kontinuierlich starke Leistungen in der Bundesliga» gegeben, sagte Prokop und fügte hinzu: «Von seiner Erfahrung, seiner positiven Aura und seinem Siegeswillen erhoffe ich mir wichtige Impulse im Turnierverlauf.»
Für die kann Steffen Weinhold nicht sorgen. Der 33-Jährige sagte seine EM-Teilnahme kurzfristig ab und verstärkte damit Prokops Sorgen im Rückraum. «Ich hätte der DHB-Auswahl bei der EM gerne geholfen, aber ich habe immer noch eine Entzündung im Fuß, die mir Beschwerden bereitet», begründete Weinhold seinen Verzicht. «Das ist eine sehr bittere Nachricht, weil uns starke individuelle Qualität wegbricht», kommentierte Prokop den Ausfall des Linkshänders vom deutschen Rekordmeister THW Kiel.
Nach Fabian Wiede, Tim Suton, Simon Ernst und Martin Strobel ist Weinhold bereits der fünfte Rückraumspieler, der der DHB-Auswahl für die wichtige Spielmacher-Position wegbricht. Die größten Hoffnungen werden dort wohl nun auf Paul Drux ruhen. «Wir müssen uns der Situation stellen und schnell Lösungen finden», sagte Prokop.
Für die ausstehenden drei Bundesliga-Spieltage in diesem Jahr am 22., 26. und 29. Dezember hofft er, dass «alle gesund durchkommen und das Ende der Fahnenstange erreicht ist, was die Absagen betrifft». Trotz der jüngsten Hiobsbotschaften sieht Prokop der EM, wo Deutschland in der Vorrunde auf die Niederlande (9. Januar), Titelverteidiger Spanien (11. Januar) und Lettland (13. Januar) trifft, aber zuversichtlich entgegen.
«Ich glaube fest an die Möglichkeiten unseres Teams», sagte der Bundestrainer. «Ich finde, dass wir bewusst und konsequent an unseren Zielen festhalten sollten. Das Halbfinale ist möglich, denn wir haben genügend Qualität im Team.» In dem fehlen auch der ehemalige Abwehrchef Finn Lemke (MT Melsungen) und Rechtsaußen Patrick Groetzki (Rhein-Neckar Löwen), die nicht berücksichtigt wurden.
Dafür ist Torwart-Oldie Bitter erstmals seit dem Frühjahr 2014 wieder dabei. Damals bestritt der Familienvater, der sich wegen seiner Kinder ursprünglich schon 2011 aus der DHB-Auswahl verabschiedet hatte, in den Playoffs für die WM 2015 gegen Polen die beiden letzten von bisher 144 Länderspielen. «Jetzt sind meine Kinder größer, die Lebensumstände haben sich verändert, es ist einfach eine neue Zeitrechnung», sagte Bitter über seine Nominierung.
Von der war er selbst ein wenig überrascht. «Das Telefonat war kurz und knapp, weil ich auch relativ sprachlos war», berichtete Bitter von seinem Gespräch mit Prokop. «Sowas plant man einfach nicht. Man versucht, den Bundestrainer zu überzeugen und seine Leistung zu bringen. Wenn das darin mündet, dass der Bundestrainer einem das Vertrauen schenkt, ist das das schönste Geschenk, das man bekommen kann.» Eben wie Weihnachten.
Das DHB-Aufgebot: