Neues vom „alten Schweden“: Im Sommer 2019 ging der „beste Kapitän der Welt“ (O-Ton Manager Dierk Schmäschke), Tobias Karlsson, bei der SG Flensburg-Handewitt von Bord und beendete als frischgebackener deutscher Meister seine aktive Handball-Karriere. Mit Ehefrau Martina und seinen Kindern Julia und Otto ging es zurück in die Heimat – nach Karlskrona. Bereut hat der 39-jährige ehemalige Weltklasse-Abwehrspieler diesen Schritt nicht. Jüngst feierte „Tobbe“ als Teammanager der schwedischen Männer den Gewinn von WM-Silber in Ägypten.
Herr Karlsson, wie geht’s Ihrer Familie und Ihnen?
Sehr gut. Wir fühlen uns wohl hier in unserem Haus in Karlskrona. Es ist nur schade, dass wir uns momentan nur wenig bewegen können. Es ist bereits ein Jahr her, dass ich mit meiner Familie in Flensburg war. Wenn es wieder erlaubt ist, wollen wir so schnell wie möglich dahin. Wir haben dort viele Freunde, die wir wirklich vermissen.
Wie ist denn die Lage aktuell in Schweden?
Der Amateursport ruht seit November. Seit vergangener Woche dürfen nun die Jahrgänge 2004 und jünger wieder trainieren. Die Schulen haben bis auf die Gymnasien geöffnet, genauso wie die Kitas – damit in den Krankenhäusern keine personellen Engpässe wegen der Kinderbetreuung der Mitarbeiter entstehen.
Wie sieht Ihr berufliches Leben aus?
Ich arbeite bei einer Unternehmensberatung, wir unterstützen Firmen in ihrer Entwicklung. Das sind Unternehmen, die eine neue Arbeitsweise einführen wollen, die versuchen, ihren Betrieb in eine komplett andere Richtung zu bewegen. Prozesse anstoßen, Führungskräfte coachen, ihnen neue Werkzeuge an die Hand geben, wie sie mit ihren Mitarbeitern umgehen können.
Wo findet das statt?
Wir arbeiten weltweit. Ich war schon in Singapur, Brasilien, USA, Polen, Schweiz und Deutschland tätig. Also reise ich immer noch sehr viel. Jetzt aber während Corona haben sich meine Kinder gerade daran gewöhnt, dass ich viel zuhause bin. Für sie war es dann heftig, als ich einen ganzen Monat lang in Ägypten bei der WM war.
Welche Rolle spielt der Handball in Ihrem Leben noch?
Eine große – aber eine nicht mehr so entscheidende. Handball ist neben Familie und Gesundheit nicht mehr alles. Aber er ist immer noch ein großer Teil meines Lebens. Ich bin Teammanager der schwedischen Nationalmannschaft und zudem ehrenamtlich bei meinem Heimatclub hier in Karlskrona tätig.
Wie viele Vereine haben denn seit Sommer 2019 angerufen, um Sie aus der Handballrente zu holen?
Zugegeben, Anrufe gab es. Allerdings eher am Anfang. Da waren drei wirklich seriöse Anfragen dabei. Das hat jetzt mit der Zeit abgenommen, und das Interesse wird wohl auch nicht wieder aufflammen.
Gab es ernsthafte Gedanken an ein Comeback?
Nicht eine Sekunde. Seitdem wir damals mit der Meisterschale aus Düsseldorf zurückgekehrt sind, habe ich nur noch einmal auf der Platte gestanden – bei meinem Abschiedsspiel im August 2019. Ich bin fertig mit dem aktiven Handball. Ich habe wirklich keinen Gedanken mehr an ein Comeback verschwendet. Ich bin mit meiner Entscheidung, aufzuhören, sehr zufrieden.
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Zu den drei seriösen Anfragen zählte doch bestimmt auch eine der SG Flensburg-Handewitt…
Als Simon Hald sich im Oktober 2019 schwer am Knie verletzte, hat Maik Machulla (SG-Trainer, Anm. d. Red.) angerufen. Es begann das Gespräch mit den Worten: „Lohnt es sich überhaupt, die Frage nach einem Comeback zu stellen?“ Ich habe geantwortet: „Nein, das macht keinen Sinn.“
Wie fit sind Sie noch?
Ich trainiere noch ein bisschen und versuche, zwei, drei Mal in der Woche etwas zu machen. Allerdings ging zuletzt nur Laufen, da vieles andere ja derzeit nicht möglich ist. Ich habe viel Kraft und bestimmt zehn Kilogramm Gewicht verloren. Aber mir geht es gut, ich fühle mich gesund. Es freut mich, dass ich keine Schmerzen mehr habe.
Aber die Kabine fehlt Ihnen schon, oder?
Natürlich. Wenn man so lange damit gelebt und es geliebt hat, ist ein Leben ohne das schwer vorstellbar. Das ist halt das, was ich am meisten liebe: der enge Kontakt mit den anderen Spielern, der Schnack, die Freundschaften, die in einem solch engen Zirkel entstehen. Das ist etwas ganz Besonderes, das vermisse ich sehr.
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Wie sieht der Kontakt zur SG aus?
Ich habe viel Kontakt zu Maik und bisschen zu Dierk. Und auch mit einigen Spielern tausche ich mich regelmäßig aus. Maik ruft mich an, wenn er mal quatschen will – und umgekehrt. Ich melde mich bei ihm, wenn ich einen Ratschlag brauche. Er ist für mich eine Person, zu der ich nicht nur handballerisch sondern auch menschlich viel Vertrauen habe. Wir sprechen über diverse Themen, aber natürlich unterhalten wir uns auch über den Sport. Was passiert gerade in der Handballwelt? Wie läuft es bei der SG? Welche Gerüchte gibt es? Was ist mit neuen Spielern?
Apropos neue Spieler: Haben Sie der SG Ihren Landsmann Anton Lindskog vermittelt?
Anton war sicherlich mal Thema in einem der Gespräche mit Maik oder Dierk. Ich halte Anton für einen sehr guten Handballer. Aber an der finalen Entscheidung der SG, ihn zu verpflichten, war ich nicht beteiligt.
Wie beurteilen Sie die Leistung der SG in dieser Saison?
Die SG spielt bis dato eine hervorragende Saison. So viele Verletzte, so viele Baustellen, und dann ein solcher Erfolg in der Bundesliga und der Champions League – das hätten nicht viele andere Vereine so hinbekommen.
Sehen Sie sich die SG-Spiele im TV an?
Ja, die meisten werden auch im schwedischen Fernsehen übertragen. Ich habe viele Champions-League-Spiele angeguckt, Bundesligaspiele hingegen weniger. Die CL-Spiele haben oft späte Anwurfzeiten, die passen besser in meinen Terminkalender.
In Ihrem Terminkalender stand ja auch im Januar „WM in Ägypten“. Glückwunsch zu Silber. Welche Aufgaben hat der Teammanager Tobias Karlsson?
Es ist eine Mischung aus Koordinator und Co-Trainer. Ich kümmere mich ums Organisatorische rund um das Team, plane alles, halte den Kontakt zum Weltverband IHF und zu den WM-Organisatoren. Und im sportlichen Bereich unterstütze ich Cheftrainer Glenn Solberg und Co-Trainer Martin Boquist. Was die Abwehr angeht, bin ich in Sachen Taktik stark einbezogen. Ich saß während der Spiele mit Laptop und Ohrstöpseln auf der Tribüne und habe vier, fünf Mal pro Halbzeit mit Glenn kommuniziert und Tipps geben.
Coach Karlsson? Haben Sie sich schon zum Trainerlehrgang angemeldet?
Das ist aktuell kein Thema für mich. Ich habe ein Bild in meinem Kopf, dass dies praktisch dasselbe Leben sein würde, wie ich es damals in Flensburg als Profi gelebt habe. Derselbe Rhythmus mit Reisen, Video, Training, Spielen – verbunden mit noch mehr Arbeit. Ich habe Bock auf etwas anderes. Ich bin gerne im Handballbereich tätig, habe viel Lust darauf, mit Mannschaften und in Vereinen zu arbeiten. Aber als Cheftrainer sehe ich mich derzeit nicht. Vielleicht später, wenn die Kinder größer sind.
Ist eine Rückkehr nach Deutschland bzw. in die Bundesliga denkbar?
Ja. Es ist nicht so, dass es aktuell eines meiner Ziele ist. Aber ausschließen würde ich nichts. Ich habe nichts dagegen, wenn sich in der Zukunft mal die Möglichkeit dazu ergibt – in welcher Form auch immer. Das könnte ich mir durchaus vorstellen, aber es wird sicherlich ein paar Jahre dauern.
Kurzfristiger ist bestimmt das Ziel Olympische Sommerspiele…
Tokio – das ist unser großer Traum. Doch zunächst müssen wir uns qualifizieren, das wird diese Woche beim Turnier in Berlin schwer genug. Sollten wir das schaffen, müsste ich noch die Nominierung des nationalen Olympischen Komitees abwarten. Fakt ist: Ich möchte sehr, sehr gerne in Tokio dabei sein.
Tobias Karlssons Spielerstationen: – bis 2002 Hästo (SWE) – 2002 bis 2003 Stavanger Handball (NOR) – 2003 bis 2008 Hammarby IF (SWE) – 2006 THW Kiel (GER/Ausleihe) – 2008 bis 2009 HSG Nordhorn (GER) – 2009 bis 2019 SG Flensburg-Handewitt (GER) Tobias Karlssons Erfolge: Deutscher Meister: 2007 (THW Kiel), 2018 und 2019 (SG Flensburg-Handewitt) Schwedischer Meister: 2006, 2007, 2008 (Hammarby IF) DHB-Pokalsieger: 2007 (THW Kiel), 2015 (SG Flensburg-Handewitt) Champions-League-Sieger: 2014 (SG Flensburg-Handewitt) Europapokalsieger der Pokalsieger: 2012 (SG Flensburg-Handewitt) Olympia-Silber: 2012 (London) |