Für Fans und Spieler muss es sich wie eine Zeitreise anfühlen. Bis zu 9000 Zuschauer dürfen am Mittwoch (19.05 Uhr/Sky) in der Kieler Arena das Bundesliga-Auftaktspiel des Handball-Meisters THW gegen Balingen-Weilstetten verfolgen. Bei einer Kapazität von 10.285 Plätzen bedeutet das eine Auslastung von fast 90 Prozent – in Corona-Zeiten war das lange undenkbar. „Ich habe Gänsehaut, wenn ich daran denke, endlich wieder vor vollen Rängen spielen zu können“, sagte THW-Kapitän Patrick Wiencek.
„Wir Profisportler sind ein wenig wie Schauspieler: Wir brauchen die große Bühne, um unsere besten Leistungen abrufen zu können“, meinte Trainer Filip Jicha. Und Geschäftsführer Viktor Szilagyi sprach von „9000 Neuzugängen“ und einer „großen Verantwortung“.
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Blaupause für Bereich Sport und Veranstaltungen
Ob alle Zuschauer, die in Besitz einer Sitzplatz-Dauerkarte sind, auch kommen, ist jedoch ungewiss. Die Kieler verfahren nach dem 2G-Modell, das Geimpften und Genesenen Zugang erlaubt. Für Kinder bis zwölf Jahre gibt es eine Ausnahme. Sie dürfen mit einem negativen Test und einem Begleiter in einen Sonderblock der Halle. Dort wird auf Abstand geachtet. In der gesamten Arena gilt Maskenpflicht. Da am Einlass die Dokumente überprüft werden müssen, sind 14 statt der sonst üblichen sechs Eingänge geöffnet.
Der Start der 56. Bundesliga-Saison vor bis zu 9000 Zuschauern in einer Halle soll Signalwirkung haben – über den Handball hinaus. Die Sportwelt blickt heute nach Kiel. THW-Aufsichtsratschef Marc Weinstock sprach von einem Modellprojekt, „das eine Blaupause für den Bereich Sport und Veranstaltungen werden kann“. „Es wird jetzt darauf ankommen, dass wir in den Modellprojekten zeigen, dass es sicher ist, in die Hallen zu kommen“, sagte Liga-Geschäftsführer Frank Bohmann im ZDF-Morgenmagazin. „Dann werden wir hoffentlich sehr bald wieder überall zu Vollauslastungen kommen.“
Flickenteppich bei Zuschauern
Derzeit spaltet die Zuschauerfrage die Clubs. Fast volle Ränge beim THW, volle Auslastung bei der MT Melsungen, bis zu 4600 Fans in Flensburg, aber nur 3000, wenn der HSV Hamburg heute (19.05 Uhr) in der riesigen Barclaycard-Arena gegen Frisch Auf Göppingen seine Rückkehr in die Bundesliga feiert. Drei Viertel der Plätze müssen leer bleiben. Für HSV-Trainer Torsten Jansen ist dies ein Fall von „Wettbewerbsverzerrung“, benötige doch gerade der Aufsteiger die Unterstützung des Publikums. Das gilt sowohl sportlich im Kampf um Punkte als auch finanziell.
Die Füchse Berlin dürfen in der 9000 Zuschauer fassenden Max-Schmeling-Halle nur 2000 Fans begrüßen, andere Clubs sogar nur 500. „Wir haben immer noch einen Flickenteppich“, sagte Bohmann. Die Saison werde „noch einmal sehr, sehr kompliziert“. Der Supercup in Düsseldorf zeigte, dass die Fans, nur weil sie es dürfen, nicht automatisch auch kommen. Nur 3007 von 8000 möglichen Zuschauern wollten den 30:29-Erfolg des THW gegen Lemgo sehen.
Viele Kieler Jäger
Die SG Flensburg-Handewitt, die am Mittwoch (19.05 Uhr) bei GWD Minden in die Saison startet, wurde erneut als ärgster Widersacher des THW auserkoren. Dahinter träumen die Füchse Berlin, die Rhein-Neckar Löwen und der SC Magdeburg vom großen Wurf. „Ich glaube, dass wir eine sehr dramatische Saison haben werden“, meinte Bohmann.
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Dazu soll auch der HSV beitragen, den Stefan Kretzschmar als „Bereicherung für die Liga“ bezeichnete. Der Sportvorstand der Füchse Berlin traut den Hamburgern um Spielmacher Leif Tissier („Ein spannender Spieler“) den Klassenerhalt zu. Als erste Abstiegskandidaten nannte er Mit-Aufsteiger Lübbecke und Minden.