Trondheim (dpa) – Bob Hanning war bei der Verpflichtung von Handball-Bundestrainer Christian Prokop 2017 die treibende Figur.
Im Interview der Deutschen Presse-Agentur erzählt der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes, warum der heutige Prokop der ist, den er sich damals erhofft hatte – und was er sich für die bevorstehende EM wünscht.
Frage: Die EM wird von Norwegen, Österreich und Schweden ausgetragen und damit erstmals von drei Ländern. Was halten Sie von diesem Drei-Länder-Format?
Antwort: Kulturell ist das sicher interessant, aber die Reiserei für Fans und Spieler ist nicht zielführend. Ich bin kein großer Freund von Mehr-Länder-Turnieren. Wir haben ja schon vor einem Jahr bei der WM in Deutschland und Dänemark gesehen, dass es ja im Prinzip auch nur ein halbes Turnier bei uns war. Jetzt sind es drei Ausrichter, und das sind noch nicht mal alles Nachbarländer.
Frage: Finden Sie es auch angesichts der aktuellen Klimadebatte schwierig? Auch die deutsche Mannschaft wird oft fliegen müssen.
Antwort: Nein, dieses Thema ist natürlich ein wichtiges. Aber ich finde nicht, dass wir es jetzt auch noch auf eine Handball-EM übertragen müssen.
Frage: Läuft es für die deutsche Mannschaft nach Plan, fliegt sie von der Vorrunde in Trondheim zur Hauptrunde nach Wien und dann weiter zur Endphase des Turniers in Stockholm. Ist das Halbfinale das Mindestziel?
Antwort: Dass wir immer den Anspruch haben sollten, ins Halbfinale zu kommen, habe ich immer gesagt. Noch wichtiger als eine Platzierung ist aber, dass wir den positiven Weg dieser Mannschaft jetzt fortsetzen. Wir sind die Ballsportart Nummer eins nach dem Fußball, und das wollen wir bleiben. Dafür brauchen wir sportliche Erfolge der Nationalmannschaft.
Frage: Bis zum Halbfinale kann Deutschland allen Topfavoriten aus dem Weg gehen. Wäre da nicht alles andere als das Erreichen dieses Ziels schon eine Enttäuschung?
Antwort: Wir haben die Erwartungshaltung klar formuliert. Wir fangen jetzt nicht an, die Gegner groß zu reden, sondern wir sind selbst groß. Egal, wie viele Verletzte wir haben.
Frage: Das Verletzungspech ist in der Tat groß. Aber das war auch schon vor der erfolgreichen EM 2016 so. Sehen Sie Parallelen?
Antwort: Ja. Wir haben auch damals gut daran getan, nicht mit den Dingen zu hadern, die eh nicht zu ändern sind. Wir haben aus meiner Sicht derzeit den bestmöglichen Kader zusammengestellt. Wir brauchen die beste Abwehr der Welt, das muss der Anspruch sein. Wichtig ist es auch, die Einsatzzeiten der Spieler geschickt zu verteilen. Und wir brauchen Typen und Egos so wie Tobias Reichmann, der sich jetzt aber auch beweisen muss. Wenn wir diesen Teamgeist haben, dann ist Christian Prokop genau der richtige Taktgeber für den Inhalt.
Frage: Sie sprechen den Bundestrainer an. Ist dieser Prokop jetzt der Prokop, den Sie sich bei seiner Verpflichtung 2017 erhofft hatten?
Antwort: Ja, das ist er. Ich freue mich wirklich, dass er sich nach der enttäuschenden EM 2018 in Kroatien so positiv entwickelt hat. Dass er ein brillanter Trainer ist, ist schon lange klar. Aber er hat sich verändert, und das können nur Spitzenkräfte. Aber eins ist auch klar: Wir sind ein Ergebnissport, und am Ende werden wir alle am Resultat gemessen. Ich glaube aber, dass er einen wesentlichen Teil zum Teamerfolg beitragen wird.
Frage: Was halten Sie von seiner Entscheidung, den 37-jährigen Johannes Bitter zurückzuholen?
Antwort: Die Entscheidung für Johannes Bitter im Tor neben Andreas Wolff halte ich für völlig richtig. Wenn Bitter nicht beim TVB Stuttgart wäre, dann würde der Verein jetzt in der 2. Liga gegen Rimpar spielen. Deswegen ist das Duo Wolff/Bitter die einzig richtige Entscheidung für diesen Moment. Bitter ist nicht unsere Lösung für die Zukunft, aber genau der richtige Mann für 2020.
Frage: Bei den Olympia wollen Sie Gold gewinnen, zumindest war das vor längerer Zeit mal Ihre Vision, von welcher der Bundestrainer oder andere DHB-Funktionäre aber abgerückt sind. Sie auch?
Antwort: Nein, das tue ich nicht. Es ist aber völlig richtig, dass der Bundestrainer sagt, dass die Zielsetzung letztlich aus der Mannschaft kommen muss. Funktionäre wie ich können fordern, was sie wollen, aber letztlich müssen sich die Spieler damit identifizieren. Aber ich bleibe bei meiner Vision, weil es definitiv nicht unmöglich ist, Olympia-Gold zu holen. Ich will nicht von diesem Ziel abweichen, weil ich auch will, dass wir weiter selbstbewusst unseren Weg gehen.
ZUR PERSON: Bob Hanning (51) sitzt noch bis 2021 im Präsidium des Deutschen Handballbundes. Daneben arbeitet er als Geschäftsführer des Bundesligisten Füchse Berlin. Hanning gilt als eine der mächtigsten Personen im deutschen Handball.