Um 1.30 Uhr gestern früh endete für die SG Flensburg-Handewitt eine außergewöhnliche Dienstreise. Nur vier Stunden zuvor hatten die Handballer die Victoria-Halle im weißrussischen Brest verlassen und waren direkt zu ihrem Charterflieger gefahren, um in Richtung Sonderburg abzuheben. Im Gepäck zwei Punkte und die Aussicht, sich vielleicht einen solcher Trips zu ersparen. Mit dem 28:26-Sieg beim HC Meshkov Brest gelang der Sprung an die Tabellenspitze in der Gruppe A in der Champions League. Wenn die SG dort bleibt oder Zweite wird und Corona ruiniert nicht noch den Spielplan – dann kann sie das Achtelfinale überspringen.
Wie gut die SG die Reise nach Belarus (landesweite Inzidenz 111,8) überstanden hat, muss sich in den nächsten Tagen zeigen. In der Victoria-Halle tummelten sich 2045 Zuschauer, von denen viele eher salopp mit ihren Masken umgingen. „Es herrschte keine Bestürzung, aber doch ziemliche Verwunderung bei uns. Wir hatten im Technical Meeting erfahren, dass Zuschauer kommen würden“, berichtete SG-Pressesprecherin Isabel Hofmann. Man habe danach noch mehr auf Abstand geachtet.
Die Spieler zeigten sich unbeeindruckt und genossen sogar die ungewohnte Atmosphäre. „Da war die Sehnsucht spürbar, dass wieder Stimmung in die Hallen zurückkehrt“, sagte Isabel Hofmann.
Ihren Job erledigten die SG-Spieler so professionell wie leidenschaftlich. Trainer Maik Machulla würdigte „Qualität und Sieger-Mentalität der Jungs“, die ihm einen Erfolg bescherten, auf den er wohl selbst nicht hoch gewettet hätte. Nur ein Training vor dem ersten SG-Spiel seit sechs Wochen, neun mehr oder minder müde WM-Teilnehmer im Kader, Lasse Möller und Alexander Petersson ohne aktuelle SG-Praxis, kein Johannes Golla und kein Jacob Heinl im Innenblock, kein Franz Semper auf halbrechts.
Als „undankbar“ empfand Maik Machulla in dieser Situation die Aufgabe gegen einen Gegner, der zuvor seine vier Heimspiele alle gewonnen hatte. Doch die SG war besser als Vardar Skopje, Paris St. Germain, Pick Szeged und Elverum. „Wir haben Brest trotz aller Müdigkeit einen großen Kampf geliefert“, stellte Machulla fest.
Dass nicht alles klappte, sei zu erwarten gewesen. Von der Idee, Brests Spielmacher Stas Skube mit einer 5:1-Deckung zu neutralisieren, musste er abrücken. „Die 6:0 lief besser. Ich bin froh, dass Benjamin Buric sehr gut funktioniert hat“, lobte der SG-Trainer seinen Keeper, der in den letzten 20 Minuten ein großer Rückhalt war. Zufrieden war er mit den beiden Comebacks. „Lasse Möller fehlt noch die Spielpraxis, aber er ist ein belebendes Element mit seiner Qualität beim Wurf und im Eins gegen Eins. Alex Petersson wird noch Zeit brauchen, um sich in unser System zu integrieren. Er macht aber dank seiner Erfahrung wenig Fehler und hat uns schon extrem geholfen“, sagte Machulla.
Linkshänder Petersson war zur Stelle, als Magnus Röd mit einem Brummschädel, den er sich bei einem Sturz zugezogen hatte, pausieren musste. „Es macht richtig Spaß. Ich freue mich auf die nächsten Monate bei der SG“, sagte der 40 Jahre alte Isländer nach seinem ersten SG-Spiel seit elfeinhalb Jahren.
Gestern bat Machulla seine Leute schon wieder zu einem „richtig harten Training“ – kein Scherz. „Das werden die Wenigsten verstehen. Aber wir brauchen jetzt diese Krafteinheit, weil im Januar dazu keine Gelegenheit war“, sagte der SG-Coach, der den Siegern von Brest aber danach für drei Tage frei gab. Weil die Partie am Sonntag gegen Magdeburg verschoben wurde, geht es erst am Donnerstag mit dem Heimspiel gegen Vardar Skopje weiter.