Nürnberg (dpa) – Der Ärger über die verpasste Heim-WM ist verraucht, die anschließenden Irritationen sind ausgeräumt. Voller Tatendrang und mit neuen Zielen kehrt Tobias Reichmann in die DHB-Auswahl zurück.
«Die Vorfreude ist groß», sagt der 31 Jahre alte Rechtsaußen vor seinem Comeback im letzten EM-Qualifikationsspiel des WM-Vierten gegen den Handball-Zwerg Kosovo am Sonntag (18.00 Uhr/ARD Livestream) in Nürnberg.
Letztmals stand der Routinier vom Bundesligisten MT Melsungen am 4. Januar dieses Jahres im WM-Test gegen Tschechien im deutschen Kader. Danach sortierte ihn Bundestrainer Christian Prokop für die Weltmeisterschaft aus taktischen Erwägungen aus. Für Reichmann brach eine Welt zusammen.
Statt sich als Ersatzspieler für eine mögliche Nachnominierung zur Verfügung zu halten, düste der Familienvater mit einem Freund nach Florida. Ein Affront, der vor dem WM-Eröffnungsspiel der DHB-Auswahl gegen Korea für Wirbel sorgte. «Ich musste ein paar Tage den Kopf frei bekommen und mit der Sache auf meine Art und Weise fertig werden», berichtet Reichmann im Rückblick.
Dazu gehörte auch, seine Enttäuschung über die sozialen Medien öffentlich zu machen. «Ich bin dann mal weg. Wieso, weiß ich gar nicht genau…Ahhh, doch…Spontanurlaub», schrieb er damals auf Instagram und legte wenig später nach: «Tschausen ihr Banausen». In einem langen Telefonat hat er sich mittlerweile mit dem Bundestrainer ausgesprochen. «Es ist alles aus der Welt geschafft», sagt der Europameister und Olympia-Dritte von 2016.
Auch Prokop hat den Vorfall abgehakt, wie er jüngst in einem Interview der «Märkischen Allgemeine» bekräftigte: «Für mich war klar, dass wir nach der WM noch einmal ein ausgiebiges Gespräch miteinander führen, nachdem die Emotionen runtergefahren worden sind. Unsere gemeinsame Marschroute war, dass unser Weg weitergeht, wenn seine Leistung im Verein stimmt. Das ist umgesetzt, und jetzt möchte ich auch gar nicht mehr zurückschauen.»
Prokops Blick geht vielmehr nach vorn. «Ich freue mich auf Tobi und erhoffe mir wieder wichtige Impulse von ihm», sagt der 40-Jährige. Eigentlich war Reichmanns Comeback schon am vergangenen Mittwoch in Tel Aviv gegen Israel geplant, doch wegen einer leichten Fußverletzung musste er passen.
Nun brennt der Routinier auf seinen 80. Länderspieleinsatz, dem noch möglichst viele folgen sollen. Doch die Konkurrenz ist groß, denn neben dem erfahrenen Patrick Groetzki macht in Timo Kastening ein junger Wilder ordentlich Druck. Beim 40:25-Sieg in Israel war der 23-Jährige mit neun Toren Topwerfer im DHB-Team.
Reichmann, der in der abgelaufenen Bundesligasaison mit 136 Toren zweitbester Schütze seines Vereins war, ist sich dessen bewusst. Über stabile Leistungen in Melsungen – die MT ist in der kommenden Saison auch international im EHF-Cup vertreten – will er sich für höhere Aufgaben anbieten. Denn 2020 steht mit der Europameisterschaft und den Olympischen Spielen ein Superjahr an. «Das ist zwar noch etwas hin», sagt Reichmann, «aber Ziel es, dort dabei zu sein.»