60 Minuten konnte Uwe Gensheimer nur zuschauen. Ohne den leicht am Handgelenk verletzten Kapitän übernahm sein Vertreter Marcel Schiller die Hauptrolle beim souveränen Sieg der deutschen Handballer in Österreich (36:27).
Elf Tore erzielte der überragende Linksaußen, wodurch er Bundestrainer Alfred Gislason eine Woche vor dem Start der WM in Ägypten ein seltenes Luxusproblem aufzeigte.
Trotz der Absagen etlicher Stammkräfte ist die DHB-Auswahl auf den Außenpositionen weiter erstklassig besetzt. Gensheimer und Schiller auf der linken Seite sowie Timo Kastening und Tobias Reichmann auf Rechtsaußen: Das zählt im internationalen Vergleich aktuell zum Besten, was die WM-Teilnehmer beim Turnier vom 13. bis 31. Januar zu bieten haben werden.
„Im internationalen Vergleich kann man sicher sagen, wir haben Top-Spieler auf den Außenpositionen“, sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer am Donnerstag. „Wenn ich uns mit den Top-Nationen vergleiche, sehe ich da nicht den großen Unterschied. Wir haben enorme Qualität über Außen“, lobte auch Rückraumspieler Julius Kühn. „Jetzt hat man gesehen: Wenn Uwe Gensheimer mal nicht da ist, dann springt Marcel Schiller ein und trifft halt auch.“
Und wie der 29-Jährige traf. Von seinen elf Versuchen hatten alle den Weg ins gegnerische Tor gefunden. Als Anführer und Linksaußen von Weltklasse-Format ist ein fitter Gensheimer zwar im Normalfall gesetzt und unverzichtbar. Aber Schiller hat nicht nur mit seiner Leistung beim EM-Qualifikationsspiel in Graz bewiesen, dass er mehr als nur ein Vertreter des 34-Jährigen sein kann. Auch in der Bundesliga hat Schiller (89) für Frisch Auf Göppingen bislang zwei Tore mehr als Gensheimer (87) für die Rhein-Neckar Löwen erzielt.
„Es ist sehr gut gelaufen, er hatte eine überragende Quote“, sagte Bundestrainer Gislason. Der 61-jährige Isländer rechnet nicht damit, dass Gensheimer sich aufgrund der überragenden Vorstellung seines Konkurrenten nun unter Druck fühlt. „Der ist ja so erfahren, dass ihm das völlig egal ist“, sagte der frühere Erfolgscoach des THW Kiel. „Er verliert nicht das Selbstvertrauen, weil sein Konkurrent einen guten Tag hatte. Er freut sich genauso wie ich, dass es gut gelaufen ist.“
Im Rückspiel am Sonntag (18.10 Uhr/ARD) in Köln soll dann der Kapitän anstelle von Schiller auf Linksaußen zum Einsatz kommen. Gewinnt die DHB-Auswahl auch die zweite Partie gegen Österreich, hätte sie ihr Ticket für die Europameisterschaft 2022 in Ungarn und der Slowakei bereits sicher. Das ist für Gislason aber nur ein Randaspekt. Im letzten Spiel vor der Abreise nach Kairo möchte der Coach stattdessen weitere Erkenntnisse über seine neu zusammengestellte Mannschaft sammeln.
Zumindest auf den Außenpositionen dürfte ihn die Qualität seiner Spieler längst nicht mehr überraschen. Während vor dem WM-Auftaktspiel am 15. Januar in Gizeh gegen Uruguay noch viel Defensivarbeit auf den Trainer und seine Spieler wartet, funktionierte im Angriff schon erstaunlich viel. Auch dank Außenspielern wie Schiller oder Kastening.