Kassel (dpa) – An das letzte Pflichtspiel können sich die Handballer der MT Melsungen nur noch vage erinnern. Knapp ein halbes Jahr liegt das nun schon zurück – eine gefühlte Ewigkeit in der ansonsten von Terminstress geplagten Branche.
Entsprechend groß ist bei den Nordhessen die Vorfreude auf die Rückkehr in den Wettkampfmodus am 30. August. «Es ist zu spüren, dass alle Bock darauf haben, dass es bald losgeht», sagte Nationalspieler Julius Kühn vor dem Hinspiel in der ersten Qualifikationsrunde der European League beim dänischen Vertreter Bjerringbro-Silkeborg.
Beim Neustart in eine ungewisse Zukunft nach der Corona-Pause ist die MT, die sich im Sommer mit Torwart Silvio Heinevetter (Füchse Berlin) und Rechtsaußen Timo Kastening (Hannover-Burgdorf) weiter prominent verstärkt hat, somit Vorreiter im deutschen Handball. «Es sind natürlich besondere Bedingungen, alles ist anders als vor Corona», sagte Vorstand Axel Geerken der Deutschen Presse-Agentur. «Ich habe mir aber abgewöhnt, das zum Thema zu machen. Wir alle im Verein nehmen das als Aufgabe an, die gelöst werden muss.»
Die Auswirkungen der Pandemie bekommt der Verein täglich zu spüren – sie haben aber auch überhaupt erst die Teilnahme des Bundesliga-Siebten der Vorsaison an dem eigentlich verpassten Nachfolge-Wettbewerb des EHF-Pokals ermöglicht. Nur weil Hannover aus wirtschaftlichen Gründen verzichtete, darf Melsungen international spielen.
Die unverhoffte Chance will das Team des im Februar kurz vor dem Saison-Abbruch geholten Trainers Gudmundur Gudmundsson nutzen. «Das erste Ziel ist es, die erste Qualifikationsrunde in der European League zu überstehen. Alles andere ist schwer zu prognostizieren», sagte Geerken mit Blick auf die Saison 2020/21.
Seit einigen Jahren hat sich der Verein im oberen Tabellendrittel der Bundesliga etabliert, der von vielen Experten erwartete Angriff auf die Spitze blieb aber bisher aus. «Um einen weiteren Schritt nach vorne zu machen, braucht es Geduld und konzentrierte Arbeit. Da müssen auch viele Dinge passen. Bekanntlich wird die Luft oben immer dünner und die Schritte werden kürzer. In diesem Prozess befinden wir uns derzeit», sagte Geerken.
Immerhin sechs deutsche Nationalspieler haben die Melsunger in ihren Reihen, dazu einige Topspieler aus dem Ausland wie Kroatiens Kreisläufer Marino Maric und den dänischen Regisseur Lasse Mikkelsen. Dennoch empfindet Geerken keinen Erfolgsdruck, «auch wenn Medien oder Wettbewerber meinen, wir müssen jetzt endlich irgendwelche tollen Sachen erreichen. Wir gehen unseren Weg besonnen weiter, so wie wir das in der Vergangenheit getan haben.»
Zumal die Saison kaum planbar ist. Das zeigt sich schon vor dem ersten Pflichtspiel. «Es besteht die latente Gefahr, dass wir aufgrund der aktuellen Corona-Entwicklung gar nicht nach Dänemark reisen können, denn die Pandemie-Lage in Silkeborg ist bedenklich», sagte Geerken. «Letztlich muss das die EHF entscheiden.»
Abwehrchef Finn Lemke versucht, «das alles so gut wie möglich auszublenden». Genauso wie die Frage, ob bald wieder Fans in die Hallen dürfen. «Wenn gespielt werden muss, wird gespielt. Ob mit Zuschauern oder ohne», sagte Lemke. Nur das Spiel selbst bleibt das alte. «Wenn man den Ball in der Hand hat», betonte Rückraumschütze Kühn, «ist fast alles so, wie es vorher war.»
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