Frankfurt/Main (dpa) – Die Bundesliga wurde auf 20 Teams aufgestockt, der Saisonstart Anfang September ist ungewiss, und im Sommer 2021 steigen auch noch die Olympischen Spiele in Tokio. Den ohnehin schon an der Belastungsgrenze agierenden Handballern steht in der kommenden Spielzeit ein beispielloser Termin-Stress bevor.
Vor der Kalendersitzung der Europäischen Handball-Föderation am 24. April (10.00 Uhr) sendete HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann daher eine unmissverständliche Botschaft nach Wien. «In dieser einschneidenden Situation müssen die Interessen der Clubs, die die Spieler bezahlen, vor allem anderen stehen», sagte der 55-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.
Bohmann erwartet eine kontroverse Diskussion, da viele verschiedene Interessen aufeinanderstoßen. Anders als die Bundesliga sollen die Champions League und der EHF-Cup zu Ende gespielt werden. Das Finalturnier in der Königsklasse soll kurz vor Silvester am 28./29. Dezember in Köln steigen – zweieinhalb Wochen vor dem Beginn der Weltmeisterschaft.
Für die europäische Qualifikation zur Endrunde in Ägypten mit erstmals 32 Teams muss aber erst einmal ein neuer Termin gefunden werden – genauso wie für die Olympia-Qualifikation. «Ich weiß nicht, ob man die WM zum jetzigen Zeitpunkt schon infrage stellen kann. Aber ich sehe den Termin kritisch», sagte Bohmann. «Wenn wir nicht im September anfangen können, wird es zu Konflikten kommen. Derzeit haben wir sie noch nicht.»
Eine WM-Verschiebung analog zur Fußball-EM oder Olympia – beides findet ein Jahr später als ursprünglich geplant im Sommer 2021 statt – ist allerdings kaum umsetzbar. Denn im Handball steht jedes Jahr ein Großereignis auf dem Plan, weil die Europa- und Weltmeisterschaften im Zwei-Jahres-Rhythmus ausgetragen werden.
Nationalspieler Timo Kastening plädiert daher für eine Entzerrung des Kalenders. «EM und WM jeweils im Vier-Jahres-Rhythmus wären ein definitiv denkbares Szenario. Dann hätten wir mal zwischendurch zwei Jahre Pause», sagte der Rechtsaußen der «Bild»-Zeitung. «Für uns Sportler ist es schön, wenn man bei den Turnieren im Januar gesehen werden kann. Für die Spieler auf Weltklasse-Niveau ist es eine Katastrophe. Sie können so seltener an ihrem Leistungsoptimum spielen.»
Bohmann glaubt jedoch nicht an eine Umsetzung dieser Idee, der die Interessen der nationalen und internationalen Verbände entgegenstehen. «Das diskutieren wir, seit ich bei der HBL bin. Das ist seit 2003», sagte er. Ihm schwant daher: «Der Spielplan wird eine totale Herausforderung. Im kommenden Jahr werden wir viele Sonderlösungen fahren müssen.»
Dazu gehört, dass der Pokal nicht stattfinden wird. «An diesen Terminen werden wir Bundesligaspiele machen. Und wir werden noch mehr Wochenspiele haben müssen», sagte Bohmann. Das größte Problem bleibt aber die Ungewissheit, ob die Saison wirklich Anfang September losgehen kann.
Sollte dieser Termin platzen, könnte die gesamte Branche in eine existenzielle Schieflage geraten. «Ich gehe davon aus, dass wir bis zum 30. Juni alle Vereine an Bord behalten», sagte Bohmann. «Danach würde es uns sehr helfen, wenn wir eine Gewissheit hätten, wann wir wieder in einen geregelten Betrieb gehen können. Dass uns gesagt wird, ihr könnt wieder Handball spielen unter Einhaltung bestimmter Maßnahmen.»