Kiel (dpa) – Auf dem Kieler Rathausbalkon herrschte nichts als Leere. Es gab keine Handballer des THW Kiel, die wie schon so oft zuvor ihren jubelnden Fans die Meisterschale präsentierten. Es hing noch nicht mal eine Fahne oder ein Banner über dem Balkon.
Den Gewinn des ungewöhnlichsten Titels der Vereinsgeschichte erleben die Profis des deutschen Rekordmeisters stattdessen im Stillen. «Für die Fans und uns Spieler ist das eine Situation, die wir hoffentlich nie wieder erleben werden», sagte Nationalspieler Hendrik Pekeler der Deutschen Presse-Agentur.
Vom Gewinn der ersten Meisterschaft seit 2015 hatten der 28-Jährige und seine Teamkollegen am 21. April kurz vor dem Mittagessen per WhatsApp erfahren. Nach dem Saisonabbruch der Bundesliga (HBL) schickte Geschäftsführer Viktor Szilágyi gegen 12.00 Uhr eine Nachricht in die gemeinsame Gruppe. Anschließend stießen Spieler und Trainer Filip Jicha zumindest virtuell mit einem Bierchen oder anderen Kaltgetränken auf den 21. Meistertitel an. Als die Videokonferenz nach kurzer Zeit wieder beendet war, blieb zumindest bei Pekeler ein fader Beigeschmack.
«Es war schon ein komisches Gefühl», erzählte der Kreisläufer. «Wir haben leicht angestoßen, aber das kann man natürlich nicht mit einer echten Meisterfeier vergleichen.» Er glaubt nicht daran, dass die Titel-Party nachgeholt wird. Liga-Präsident Uwe Schwenker hatte beim TV-Sender Sky zwar angekündigt, die Übergabe der Meisterschale «in jedem Falle» noch nachholen zu wollen. «Ich denke, ein entsprechender Rahmen sollte natürlich dafür vorhanden sein», sagte der 61-Jährige. Wie auch immer es kommt: Für Pekeler bliebe es merkwürdig. Es ist zudem nicht mal klar, wann die neue Saison losgeht.
«Ich glaube, dass es eher ein komisches Gefühl wäre, falls wir im September oder Oktober wieder spielen würden, und dann noch mal auf dem Rathausbalkon feiern sollten», sagte er. Dass es so kommt, ist derzeit auch nicht absehbar. Der Fokus der Kieler sowie der anderen Clubs richtet sich stattdessen auf die Fortsetzung des Spielbetriebs. Da Großveranstaltungen in Deutschland bis zum 31. August untersagt sind, hofft die HBL auf eine Wiederaufnahme im September.
«Ob das auch so wirklich stattfinden kann, wissen wir nicht. Genauso nicht, ob Zuschauer zugelassen werden, teilweise oder auch nicht», sagte Szilágyi im ZDF-«Morgenmagazin». Nach dem Gewinn der Meisterschaft war der Österreicher zufrieden, «einen Schlussstrich» unter die Saison ziehen zu können. Pekeler freute sich zumindest darüber, dass der ungewohnte Titel «eine Anerkennung» für die Leistung des THW in einem Großteil der Saison sei.
Diese Anerkennung blieb den Handball-Frauen von Borussia Dortmund dagegen verwehrt. Denn anders als in der HBL war die Handball Bundesliga Frauen (HBF) ohne Meister beendet worden. Damit gingen die BVB-Damen trotz ihrer Tabellenführung leer aus.
«Bei den Männern wird der Spitzenreiter zum Meister ausgerufen, bei den Frauen aber nicht. Das hat Anzeichen einer Diskriminierung, denn es gibt keine sportlichen Argumente für diese Entscheidung», sagte BVB-Präsident Reinhard Rauball den «Ruhr Nachrichten».
Die HBF hatte die Entscheidung damit begründet, dass noch fast ein Drittel der Saison zu spielen war. Auf Verständnis stößt das in Dortmund allerdings nicht. Im Vergleich dazu hat es den THW Kiel in jedem Fall besser erwischt. Auch mit leerem Rathausbalkon.