Stuttgart (dpa) – Auch die Bosse geben sich keinen Illusionen hin. Noch ist die Saison in der Handball-Bundesliga (HBL) zwar nicht abgebrochen. Aber vor der nächsten Videokonferenz der Clubchefs am Dienstag glaubt HBL-Präsident Uwe Schwenker längst nicht mehr an eine Fortsetzung des Spielbetriebs.
«Irgendwie die Saison noch zu Ende spielen zu wollen, das macht doch keinen Sinn», sagte der 61-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Seit vergangenem Freitag sind die Verantwortlichen der 36 Erst- und Zweitligisten zur Abstimmung aufgefordert. Votieren mindestens 27 von ihnen für einen Abbruch, ist die Saison vorzeitig beendet. Stimmen alle rechtzeitig ab, wird das Ergebnis schon am Dienstag verkündet. Es zeichnet sich eine klare Tendenz ab. «Unter den derzeit vorgegebenen Timelines ist eine Fortsetzung der Saison schwer vorstellbar», sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann im «Sportbuzzer»-Interview.
Die HBL hatte die Hoffnung auf eine Fortsetzung lange nicht aufgeben wollen. Am 16. Mai, so lautete die bislang letzte Stellungnahme von Anfang April, solle die Saison spätestens weitergehen. Denn dann ließe sie sich bis Ende Juni abschließen. Wie hätte sich die HBL auch anders äußern sollen? Ein Abbruch-Szenario war nicht mal in den Statuten verankert. Es folgte eine umfassende juristische Prüfung mit dem Ergebnis, dass die Clubs abstimmen müssten.
Es gab zuletzt kaum einen Verantwortlichen, der sich öffentlich für eine Fortsetzung der Spielzeit ausgesprochen hat. Berlins Geschäftsführer Bob Hanning hatte vergangene Woche zwar eine Idee eingebracht, wonach sich die Saison möglicherweise Ende Juni in Form eines einwöchigen Turniers zu Ende spielen ließe. Aber: «Das ist alles nicht praktikabel», sagte Liga-Präsident Schwenker.
Ein Abbruch würde der HBL einen Verlust von rund 25 Millionen Euro bescheren. Das ist aber nicht mal das Schlimmste. Selbst die Wertung der Saison ließe sich wohl vergleichsweise schmerzfrei regeln. Die Abschlusstabelle würde vermutlich mithilfe der sogenannten Quotientenregelung ermittelt. Dabei werden die Pluspunkte jedes Teams durch die Anzahl der absolvierten Spiele geteilt und dann mit 100 multipliziert. Der THW Kiel wäre dann Meister. Absteiger würde es nicht geben, stattdessen wohl zwei Aufsteiger, so dass die kommende Spielzeit mit 20 Teams gespielt würde. Nur, und jetzt kommt das größte Problem, wann geht diese neue Saison überhaupt los?
«Wenn mir jemand sagen würde, ich solle diesen Betrag auf den Tisch legen und dadurch sicherstellen, dass wir Ende August planmäßig in die neue Saison starten könnten, würde ich mir das Geld liebend gern leihen», sagte Bohmann mit Blick auf das Minus von rund 25 Millionen Euro. «Aber so einfach ist es leider nicht.» Großveranstaltungen sind in Deutschland bis zum 31. August verboten.
Selbst wenn es danach für den Handball weitergeht, weiß derzeit niemand, ob es auch mit Zuschauern weitergehen könnte. Die aber sind für viele Clubs, anders als im Fußball, überlebensnotwendig. Ticketing-Einnahmen machen im Liga-Durchschnitt rund 30 Prozent der Gesamterlöse der Clubs aus. Noch wichtiger sind nur die Sponsoring-Einnahmen, die 60 bis 65 Prozent einbringen. Im Vergleich dazu verdienen die Vereine nur einen Bruchteil durch TV-Gelder. Im Fernsehen wären einzelne Sponsoren zwar immerhin über die Bandenwerbung zu sehen, insgesamt mindern Partien ohne Zuschauer den Sponsoringwert aber erheblich.
«Wir sind auf Zuschauer und die Einnahmen angewiesen», sagt Schwenker. Auch deshalb deutet sich ein zeitnaher Abbruch an. Gerade die kleineren Clubs fremdeln schon seit Wochen mit dem Geisterspiel-Szenario. Das dürfte sich vermutlich schon am Dienstag erledigt haben. Zumindest für diese Saison.