Ludwigshafen (dpa) – Lisa Heßler findet im Moment keine Ruhe. Die jüngste Geschäftsführerin der Handball-Bundesliga (HBL) kann sowieso schon schlecht von der Arbeit für die Eulen Ludwigshafen abschalten. In dieser außergewöhnlichen Zeit fällt der 31-Jährigen das besonders schwer.
Sie kann mit ihren Freundinnen auch nicht wie gewohnt ins Fitnessstudio gehen, weil es wegen der Corona-Krise geschlossen ist. «So verbringe ich Tag und Nacht damit, mir Gedanken zu machen», erzählt die Chefin des Tabellenvorletzten. «Ich gebe alles dafür, dass dieses Ding hier am Laufen bleibt. Wenn ich in den Spiegel schaue, will ich mir genau das sagen können.» Aber in die Zukunft kann sie auch nicht schauen.
Die Eulen Ludwigshafen haben den geringsten Etat der Bundesliga, und es liegt jetzt vor allem an Heßler, wie es bei ihnen nach dieser Krise weitergeht. Ob es weitergeht. Heßler weiß es ja nicht. Niemand weiß das. Wie allen anderen Bundesligisten fehlen auch den Eulen durch die Unterbrechung der Saison die enorm wichtigen Einnahmen aus Heimspielen und Sponsoring. Fast täglich führt sie Gespräche mit Partnern oder Fans. Ihr Handy kommt kaum zur Ruhe.
Wie viele Regressforderungen entstehen werden, kann Heßler noch nicht absehen. Aber nach nicht mal eineinhalb Jahren als Chefin ihres Clubs muss sie im Eiltempo Lösungen finden für eine Herausforderung, die auch ihre erfahreneren Kolleginnen und Kollegen noch nie haben meistern müssen. «Ich habe eine ganz, ganz große Verantwortung für meine Mitarbeiter, auch gegenüber Partnern und Fans», sagt sie. «Die sind die Basis für unsere Zukunft – in der es uns hoffentlich auch noch geben wird.»
Dass sie diese Situation im Alter von gerade mal 31 Jahren managen muss, spielt für sie selbst keine Rolle. Nach einem auf den Handball zugeschnittenen Management-Studium und einem Master mit Bestnote übernahm Heßler 2016 die Verantwortung für das Marketing der Eulen. Im Dezember 2018 stieg sie im Alter von 29 zur Geschäftsführerin auf. Mittlerweile arbeitet Heßler als Chefin von rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, deren berufliche Zukunft von der des Vereins abhängt.
«Am Anfang fand ich sie eine Spur zu jung, muss ich ehrlich sagen. Aber jetzt im Nachhinein betrachtet, steht sie ihre Frau», sagt HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann, der Heßler mittlerweile regelmäßig in den Corona-Krisenkonferenzen der Liga-Bosse erlebt. «Sie macht ihren Job richtig gut. Sie ist zu 100 Prozent zuverlässig, selbstbewusst und sehr kooperativ. Ich kann kein schlechtes Wort über sie verlieren.»
Heßler hat den Ernst der Lage zu 100 Prozent erkannt. Trotzdem versucht sie, nicht die Zuversicht zu verlieren. Damit das auch bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht passiert, hält Heßler über Konferenzen oder Telefongespräche den Kontakt. Jeder oder jedem von ihnen hat sie bereits in einem Einzelgespräch erklärt, was die aktuelle Lage für den Club bedeutet. «Das führte natürlich dazu, dass abends der Kopf platzt», erzählt sie. «Aber ich glaube, dass jeder Mitarbeiter das verdient hat.»