Holger Glandorf: Gestählt in der Krise

Fließend vollzieht sich bei der SG Flensburg-Handewitt der Wachwechsel in der Geschäftsführung. Am 1. Juli wird Holger Glandorf die Nachfolge von Dierk Schmäschke antreten, seit dem 1. Januar fungiert der frühere Weltklasse-Handballer schon mal als zweiter Geschäftsführer.

Einarbeitung läuft seit langem

Die Einarbeitung des 38-Jährigen in die verantwortungsvolle neue Aufgabe läuft seit langem. „Im letzten halben Jahr hat mich Dierk bei allen Entscheidungen mitgenommen. Ich war in alle Personalien eingebunden und wir teilen uns die Termine auf. Für mich ändert sich daher jetzt nicht viel, auch wenn es ein neuer Titel ist“, meint Glandorf.

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„Dieser Übergang war wohlüberlegt. Es tut ihm gut und es tut mir gut“, sagt Dierk Schmäschke, der ab 1. Juli als Präsident der SG Flensburg-Handewitt Handball-Bundesliga GmbH & Co. KG fungieren wird. „Ich werde Holger weiter unterstützen. Man braucht Ratgeber und Helfer – die hatte ich auch“, sagt Schmäschke.

Nachdem die Pandemie seine Spielerkarriere im März 2020 vorzeitig beendet hatte, wechselte Glandorf in die Geschäftsstelle der SG und kümmerte sich seither unter anderem um alles, was Corona an Herausforderungen mit sich brachte, wie die Koordinierung der Tests von Mannschaft und Umfeld oder die Umsetzung von Hygienekonzepten. Sogar als Betreuer und als Coach im Duett mit Michael Jacobsen sprang Glandorf ein, als Kai Bendixen und Maik Machulla zeitweise wegen Corona-Infektionen ausfielen.

Der Ex-Profi half an allen Ecken und Kanten aus, lernte vieles kennen, nur eines nicht: „Den normalen Ablauf habe ich noch gar nicht erlebt – nur die Krise“, sagt Glandorf und fügt an:

Sportmanagement-Studium

Der Weltmeister von 2007 ist aber auch sonst gut vorbereitet auf seine neue Rolle bei der SG. Schon 2011 hat er ein Sportmanagement-Studium abgeschlossen und noch als Spieler die Ausbildung zum European Handball Manager absolviert. „Es war immer mein Ziel, weiterhin im Handball auch nach meiner Karriere zu arbeiten“, sagt Glandorf. Der Wechsel auf die Trainerbank war aber keine Option. „Das wäre nicht so meins, das war nie ein Thema. Mich hat immer die Arbeit rundherum mehr interessiert.“

Gleichwohl hält er es für richtig, dass die SG anders als einige andere Vereine die Aufgaben von Sportdirektor und kaufmännischem Geschäftsführer in einer Hand belässt. „Das ist sinnvoller“, sagt Glandorf, der auch sportliche Expertise einbringen will. „Ich habe 20 Jahre Leistungssport betrieben, da schreibe ich mir schon etwas Ahnung zu. Die sportlichen Entscheidungen trifft Maik Machulla. Ich werde mich sicher nicht in die Mannschaftsaufstellung einmischen. Aber ich möchte versuchen, ein guter Sparringspartner für Maik zu sein, die Diskussion anregen, auch mal etwas kritisch hinterfragen – das gehört schon dazu und hilft in der Weiterentwicklung.“

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Kaufmännische Kompetenz hat sich Glandorf früh erworben. Ganz bodenständig machte der gebürtige Osnabrücker neben den ersten Schritten im Profi-Handball bei der HSG Nordhorn die Ausbildung zum Speditionskaufmann. „Es war mir wichtig, etwas in der Hand zu haben, falls irgendetwas sein sollte. Jetzt hilft es mir, einen Betrieb zu verstehen.“

An kleinen Schrauben drehen

In seinem Betrieb läuft es nach Einschätzung von Holger Glandorf rund. „Der Verein ist erfolgreich, die Mannschaft hat eine tolle Entwicklung genommen. Es gibt sicherlich kleine Dinge, die man verändern kann, aber das Rad muss ich hier nicht neu erfinden.“

Das größte Problem ist aktuell nicht SG-spezifisch. Es betrifft alle.

Das sagt Glandorf. „Die wirtschaftlichen Folgen sind noch gar nicht in vollem Umfang abzusehen.“

Sorgen um Zuschauerzahlen

So ist die SG noch weit davon entfernt, bei den Spielen Besucherzahlen wie vor der Pandemie zu sehen. Ganze drei Mal durfte in dieser Saison die volle Kapazität der Flens-Arena genutzt werden, ausverkauft war sie jedoch nicht. Besonders enttäuschend war die Resonanz auf die Heimspiele in der Champions League. Das war noch vor Omikron. „Viele Leute waren da noch sehr vorsichtig. Wenn wieder Normalität herrscht, kann es sehr schnell gehen mit einer vollen Halle – mindestens in der Bundesliga“, hofft der künftige SG-Geschäftsführer auf den „großen festen Stamm an Dauerkarteninhabern“.

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Der schwache Besuch habe jedoch nicht nur mit der Pandemie zu tun gehabt, sondern auch mit einer gewissen Übersättigung im sehr handballintensiven Jahr 2021 mit der 20er-Bundesliga, WM und Olympia-Turnier. Das aktuelle Champions-League-Format mit Spielen gegen absolute Topgegner quasi am Fließband sieht Glandorf auch skeptisch: „Früher waren es Highlights, wenn Mannschaften wie Barcelona oder Veszprem in die Flens-Arena kamen. Heute kommen diese Begegnungen deutlich häufiger vor.“ Da blättert schon etwas ab von Glanz des Besonderen.

Emotionales Erlebnis in der „Hölle Nord“

„Vielleicht hat der eine oder andere entdeckt, dass es auch angenehm sein kann, mit einem Bier in der Hand auf dem Sofa das Spiel im Fernsehen zu verfolgen, anstatt nach der Arbeit in die Halle zu hetzen.“ Für ihn steht aber außer Frage, dass ein Besuch in der „Hölle Nord“ auch immer mit einem emotionalen Erlebnis einhergeht. „Daher wünsche ich mir, dass die Leute wieder Lust haben, die SG live zu erleben. Vor allem bei Champions-League-Spielen. Für uns ist das ein großes Thema. Wir wollen auch weiterhin unsere Fans begeistern“, sagt Glandorf.