Hannover (dpa) – Für Handball-Nationalspieler Fabian Böhm war es der endgültige Beweis.
Der Rückraum-Profi der TSV Hannover-Burgdorf ist zwar nie ein Spieler der leisen Worte gewesen, aber der 23:22-Erfolg im Topspiel gegen die SG Flensburg-Handewitt verleitete ihn zu einer Aussage, die den schon jetzt spannenden Meisterschaftskampf in der Bundesliga noch interessanter macht: «Dieser Sieg zeigt, dass wir nicht nur eine Überraschungsmannschaft sind», sagte Böhm gut gelaunt und mit einem lautstark feiernden Publikum im Hintergrund. Umso überraschender sind in dieser noch jungen Spielzeit dagegen ganz andere Dinge.
Nach der zweiten Saisonpleite hat Titelverteidiger Flensburg bereits fünf Minuspunkte auf dem Konto – und damit schon jetzt einen mehr als in der gesamten vergangenen Spielzeit. Auch die ambitionierten Rhein-Neckar Löwen kassierten parallel beim 26:31 bei der MT Melsungen bereits ihre zweite Niederlage in dieser Saison. Der ebenfalls hoch eingestufte SC Magdeburg hat nach dem 28:29 bei der HSG Wetzlar sogar sechs Minuspunkte und stürzte ins Mittelfeld der Tabelle ab. Und auch Rekordmeister THW Kiel hat bereits verloren. Nur Hannover thront mit 14:0-Punkten über allen anderen Teams.
Die spannende Frage ist, wo diese bisher so erfolgreiche Reise des Überraschungsteams noch hinführt. «Der Teamspirit, den wir aktuell haben, ist sehr beeindruckend», sagte Hannovers sportlicher Leiter Sven-Sören Christophersen. Wahrscheinlich ist er sogar der Schlüssel.
Nach 50 Minuten hatten die Niedersachsen mit vier Toren zurückgelegen, ihre erste Saisonpleite deutete sich an. Dann aber überrumpelten sie den deutschen Meister mit einem letzten Aufbäumen, Flensburg wirkte davon genauso überrascht wie geschockt – und scheiterte letztlich verdient. Eine Vorentscheidung im Kampf um den Titel dürfte in diesem Spiel aber längst nicht gefallen sein.
Denn es gibt noch anderen Fragen, die sich jetzt erst recht stellen: Wann endet der außergewöhnliche Erfolgslauf Hannovers? Und könnte die Mannschaft von Trainer Carlos Ortega nach einem Rückschlag gleich wieder in die Spur finden? Auf dem 13. Platz hatten die Niedersachsen die enttäuschende Vorsaison abgeschlossen. Dann verloren sie auch noch Nationalspieler Kai Häfner vorzeitig an die MT Melsungen. Bislang profitierten sie neben ihrem Teamgeist von ihrem starken Torhüter Domenico Ebner, einem oft überragenden Spielmacher Morten Olsen sowie einigen Top-Talenten.
Was die Kaderbreite angeht, dürften Teams wie Flensburg, Kiel oder die Löwen dennoch auf lange Sicht im Vorteil sein. Die drei Topfavoriten werden die Entwicklung in Hannover genau beobachten. Und sie werden auf einen Patzer der Überraschungsmannschaft lauern. Ob sie es dann schaffen werden, diesen auszunutzen, ist eine weitere spannende Frage. Eigene Patzer dürfen sie sich jedenfalls kaum noch erlauben.