Berlin (dpa) – Es gibt eine Geschichte, über die man sich dem Wesen von Bob Hanning nähern kann. Als die deutschen Handballer im Januar 2016 sensationell den EM-Titel gewinnen, beginnt für die Mannschaft in Polen eine große Party.
Schon in der Kabine in Krakau begießen Torhüter Andreas Wolff und Co. ihren goldenen Coup mit massenhaft Schampus und Bier, die Stimmung könnte besser kaum sein – nur Hanning würde die Spieler trotz des größten deutschen Erfolgs seit der WM 2007 am liebsten bremsen. «Er wollte, dass die Jungs weniger trinken», erzählt DHB-Präsident Andreas Michelmann mit einem Schmunzeln. «Da musste ich ihn stoppen, denn sie sollten feiern!»
Es ist typisch Hanning. Selbst im Moment des größten Triumphs seiner Amtszeit als DHB-Vizepräsident hat er schon den Tag danach im Kopf. Dann folgte in der Berliner Max-Schmeling-Halle die EM-Feier vor tausenden Fans, live übertragen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Hanning wusste um die seltenen Bühnenauftritte, die der Handball bekommt, also sollten die EM-Helden sich auch in optimalem Zustand präsentieren. Letztendlich gelingt das auch trotz durchzechter Nacht. Anschließend ist die Mannschaft kaputt, aber glücklich. Und Hanning ist zufrieden. Denn er hatte nicht nur durch die Verpflichtung von Ex-Bundestrainer Dagur Sigurdsson maßgeblichen Anteil an diesem Erfolg.
In etwas mehr als einem Jahr endet nun seine Zeit im Präsidium des DHB. Ab 2021 wird er sich ganz auf seinen Job als Geschäftsführer der Füchse Berlin konzentrieren. Sein Abschiedsgeschenk an den DHB könnte der streitbare Strippenzieher aber schon an diesem Freitag präsentieren. Dann werden in Kairo vom Weltverband IHF unter anderem die Weltmeisterschaften 2027 (Männer) und 2025 (Frauen) vergeben. Für beide Turniere hat sich Deutschland beworben, 2025 gemeinsam mit den Niederlanden. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass es den Zuschlag für beide Weltmeisterschaften gibt. Vor allem dank Hanning, der in den vergangenen Wochen und Monaten gemeinsam mit Michelmann etliche Gespräche geführt hat.
«Es ist meine letzte große Reise für den Verband. Ich würde mir wünschen, dass wir die Weltmeisterschaften noch kriegen», sagt der gebürtige Essener. «Wir sind zuversichtlich, dass das funktionieren kann. Ich hoffe, dass die Arbeit von Andreas, mir und vielen anderen hier zielführend war.» Für den 52-Jährigen wäre es der vorzeitige Schlussakt einer bewegenden DHB-Laufbahn. Egal, wo Hanning auftauchte oder was er auch machte: Leise war es selten. Er brach mit alten Strukturen und scherte sich nie um Namen. Wenn er Dinge für richtig hielt, setzte er sie ohne Rücksicht auf Verluste durch. Egal was er sagte oder machte: Es passierte alles aus Kalkül.
Freunde brachte ihm das nicht immer ein. Der ehemalige Bundestrainer Heiner Brand unterstellte dem 1,68 Meter großen Hanning 2013 in der «Sport Bild» mal eine «narzisstische Persönlichkeitsausprägung». Bei Hanning stehe die Eigeninszenierung im Vordergrund, er «braucht Leute und benutzt sie». Der 2007er-Weltmeister Christian Schwarzer meinte noch während der EM im Januar, dass Hanning sich die Sachen immer so auslege, «wie er es gerade braucht». Aber man kann über den Liebhaber schriller Outfits sagen und denken, was man will, die Früchte seiner Arbeit lassen sich trotzdem nicht wegdiskutieren. «Der DHB hat ihm vor allem den Aufbruch zu verdanken», sagt Michelmann.
Ohne den Einsatz und die Kontakte von Hanning wären alle Welt- und Europameisterschaften der Männer bis einschließlich 2025 wahrscheinlich nicht bei ARD und ZDF zu sehen. Ohne ihn würden vermutlich auch die Chancen auf die Ausrichtung der WM-Turniere 2027 und 2025 nicht so gut stehen. Und ohne Hanning hätte der DHB wohl auch nicht schon längst den Zuschlag für die Männer-EM 2024. Aber auch Hanning hat Fehler gemacht, zuletzt geriet auch er für die stillose Beurlaubung von Ex-Bundestrainer Christian Prokop in die Kritik.
«Ich habe in meiner Zeit vielen wehgetan. Dass das Spuren hinterlässt, ist ja auch normal», sagt er selbstkritisch und unabhängig von Prokop. «Aber ich beschwere mich nicht darüber.» Insgesamt sehe er den DHB auf einem guten Weg. Für 2021 hat er der Bundesliga übrigens selbst schon den ehemaligen Manager der TSV Hannover-Burgdorf, Benjamin Chatton, als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Es ist ein typischer Schachzug von Bob Hanning, der heute schon an übermorgen denkt.