Was würde Maik Machulla nicht alles dafür geben, am Sonntag mit kompletter Kapelle nach Kiel reisen zu können? Zu diesem Topspiel der Handball-Bundesliga, das nicht nur die Fans im Norden elektrisiert. „Der THW ist klarer Favorit“, schlägt der personell sehr geplagte Trainer der SG Flensburg-Handewitt ungewohnt leise Töne vor dem 105. Nordderby (So., 13.40 Uhr/NDR und Sky) an.
Favorit – ja oder nein?
Das sieht sein Kollege auf der anderen Seite anders. „Im Derby gibt es keinen Favoriten“, entgegnet THW-Trainer Filip Jicha. „Egal, wer welche Probleme oder welchen Lauf hat. Ich erwarte ein spannendes Spiel.“ Deutlicher wird da schon sein Kreisläufer Patrick Wiencek: „Wir sind Deutscher Meister. Ich denke schon, dass wir der Favorit sein werden.“
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Und das aus gutem Grund. Denn die Voraussetzungen für beide Mannschaften sind aktuell recht unterschiedlich. Hier der eingespielte Titelverteidiger aus Kiel mit seinen vielen Weltklassespielern und einem verletzungsfreien Kader. Zudem ausgestattet mit großem Selbstvertrauen dank des makellosen Saisonstarts (Supercup-Titel, zwei Bundesliga-Siege, ein Erfolg in der Champions League) und mit dem Heimvorteil angesichts der 9000 Fans in der heimischen Halle.
Flensburger Kompromisse
Da der Herausforderer aus Flensburg, der einen wackligen Start (Sieg in Minden, Remis gegen Erlangen, Niederlage gegen Barcelona) hinlegte und ohne etatmäßigen Rückraum-Linkshänder und mit vollem Lazarett dem Erzrivalen entgegentreten muss. „Es nervt mich schon, immer Kompromisse eingehen und umbauen zu müssen“, gesteht Machulla. „Wichtig ist, dass wir trotzdem mutig sind, dass wir als Team zusammenhalten und dass wir weiter Gas geben.“
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Der Flensburger Ärger über die 21:25-Niederlage in der Champions League gegen den großen FC Barcelona, der am Donnerstag in der Flens-Arena durchaus verwund- und besiegbar war, ist verraucht. Der Freitag war ein Tag zur Regeneration plus Videostudium plus kurze Taktikbesprechung. „Mit Kiel haben wir das gleiche Kaliber wie Barcelona vor der Brust“, spricht Machulla vom „nächsten dicken Brett“.
Nichtsdestotrotz ist die Vorfreude auf diesen Handball-Festtag auch beim vermeintlichen Underdog riesig. Der Puls steigt. „Die Atmosphäre in der vergangenen Saison war kein Vergleich zu der früherer Derbys. Endlich wieder eine volle Halle. Das gibt uns eine extra Portion Motivation“, sagt SG-Kapitän Lasse Svan vor seinem möglicherweise letzten Auftritt in der Höhle des Löwen. Und auch SG-Torjäger Hampus Wanne, der sich nach einer Wadenzerrung schnell wieder zurückmeldete, frohlockt: „Das verspricht viel Spaß. Ich bin nun seit neun Jahren in Flensburg und weiß: Im Derby kann wirklich alles passieren.“