Aschersleben (dpa) – Die Anreise zum ersten Arbeitstag war für Alfred Gislason kurz. Nur eine Autostunde vom heimischen Hof in Wendgräben entfernt versammelte der Handball-Bundestrainer die DHB-Auswahl in Aschersleben zum scharfen Start in eine neue Ära.
Beim fünftägigen Lehrgang mit dem abschließenden Länderspiel gegen die Niederlande am Freitag in Magdeburg will der 60 Jahre alte Nachfolger des Anfang Februar beurlaubten Christian Prokop erste Akzente setzen. «Wir wollen einiges testen und ich habe auch Ideen, wie ich das machen möchte», kündigte Gislason an. «Ich habe ganz viel Bock darauf.»
Viel Zeit bleibt dem Isländer nicht, den EM-Fünften für die Mitte April anstehende Olympia-Qualifikation fit zu machen. Nach eigener Aussage braucht er die aber auch gar nicht. «Aus 22 Jahren in der Bundesliga kenne ich alle Spieler sehr gut», gab Gislason schon bei seiner offiziellen Vorstellung vor gut vier Wochen zu Protokoll.
Seit seiner überraschenden und von allerlei Nebengeräuschen begleiteten Verpflichtung hat er sich mit Feuereifer in die neue Aufgabe gestürzt. Ausführliche Videoanalysen und intensive Gespräche mit Spielern und Vereinen standen zunächst auf dem Programm. «Ich will die Mannschaft sehr gut auf die Olympia-Qualifikation vorbereiten. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe», sagte Gislason.
Immerhin erwartet der Deutsche Handballbund von ihm schon bei den Sommerspielen in Tokio Edelmetall, das unter seinem Vorgänger zuletzt stets ausblieb. «Wir sehen mit Alfred Gislason größere Erfolgschancen als mit Christian Prokop», hatte Präsidiumsmitglied Uwe Schwenker den Trainerwechsel nach der EM begründet.
Gislason kann mit dieser Erwartungshaltung gut umgehen. «Ich habe Druck meistens als etwas Schönes empfunden», sagte der frühere Erfolgstrainer des SC Magdeburg und des deutschen Rekordmeisters THW Kiel. Schwenker macht sich ebenfalls keine Sorgen. «Er ist ein Fels in der Brandung», sagte der Liga-Boss über Gislason.
Für den wird das Duell mit der Niederlande am Freitag zu einer ersten Standortbestimmung. Richtig ernst wird es für ihn und die DHB-Auswahl erst fünf Wochen später in der Olympia-Ausscheidung gegen Rekord-Europameister Schweden, den EM-Vierten Slowenien und Algerien.
Gislason brennt auf die Aufgabe, nachdem er im Sommer 2019 von der Bundesliga-Bühne abgetreten war und sich um all die privaten Dinge gekümmert hatte, die in den Jahren zuvor liegen geblieben waren. «Ich habe 22 Jahre lang ohne Unterbrechung in der Bundesliga gearbeitet. Das ist eine unglaublich intensive Zeit gewesen. Ich bin froh, dass ich die Pause gemacht habe. Sie war sehr nötig», sagte er über seine Auszeit.
Doch der Wunsch nach einem Comeback stellte sich bei ihm schneller ein als gedacht. «Was ich nicht erwartet habe war, dass ich nach drei, vier Monaten die Schnauze voll davon hatte», berichtete er. «Es hat richtig gejuckt. Ich habe gemerkt, welch großer Bestandteil meines Lebens der Handball ist.»
Die neu gewonnene Energie will er auf die Mannschaft übertragen, in der er viel Potenzial sieht. «Wir haben ein Team, das langsam in die besten Jahre kommt», sagte Gislason und blickte ungeduldig auf Freitag voraus: «Ich freue mich sehr, an meiner alten Wirkungsstätte in Magdeburg mein erstes Spiel als Bundestrainer für Deutschland zu machen.»