20 aus 28 statt 20 aus 35: Viele Fragezeichen um den WM-Kader der deutschen Handballer gibt es vor der Nominierung durch Bundestrainer Alfred Gislason am Montag vor Weihnachten nicht mehr.
Gleich sieben Absagen haben die Auswahlmöglichkeiten des 61 Jahre alten Isländers für die Titelkämpfe vom 13. bis 31. Januar in Ägypten stark eingeschränkt. „Wir fliegen mit allem hin, was uns zur Verfügung steht“, sagte Gislason in einem Interview der „Bild am Sonntag“ zur prekären Personallage. „Ich werde jetzt Spielern eine Chance geben, die sonst wohl keine so große Chance bekommen hätten.“
Besonders schmerzhaft ist der freiwillige WM-Verzicht des Kieler Trios Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek und Steffen Weinhold sowie von Melsungens Abwehrspezialist Finn Lemke, die alle wegen der Corona-Krise absagten. „Das ist zweifelsfrei eine riesige Schwächung. Wir haben dadurch nicht nur den weltweit geachteten Innenblock in der Abwehr verloren, sondern auch Spieler, die im Verein schon sehr engen Kontakt zu Alfred Gislason hatten und die Systematik seiner Spielweise verstanden haben“, sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer im ZDF.
„Das ist extrem hart. Es wird schwierig, in der Kürze der Zeit etwas Neues einzustudieren“, betonte Gislason. Unterkriegen lassen will er sich davon aber genauso wenig wie vom verletzungsbedingten Ausfall der Rückraumspieler Fabian Wiede, Franz Semper und Tim Suton – schließlich ist die XXL-WM mit erstmals 32 Mannschaften sein erstes großes Turnier als Bundestrainer. „Wir werden das Bestmögliche für Deutschland rausholen“, versprach Gislason.
Torwart-Oldie Johannes Bitter ist zuversichtlich, dass der langjährige Erfolgscoach des THW Kiel das komplizierte Personal-Puzzle bestmöglich zusammensetzt. „Schade, dass die Jungs nicht dabei sind. Wir müssen improvisieren. Der Bundestrainer ist einer der besten Trainer der Welt. Er wird auch dafür Lösungen finden“, sagte der 38-Jährige im „Aktuellen Sportstudio“ des ZDF.
Dennoch müsse man die Erwartungen deutlich zurückschrauben. „Diese Spieler sind nicht zu ersetzen“, betonte der Schlussmann des Bundesligisten TVB Stuttgart. „Jetzt sind die Chancen gesunken. Wir sind nicht Topfavorit.“ Das sieht auch Gislason so: „Niemand wird sagen können, eine Medaille muss drin sein.“
Weitere WM-Absagen befürchtet er nicht. „Wir hatten mit allen Spielern im Herbst ein Meeting. Diejenigen, die jetzt abgesagt haben, hatten schon damals Bedenken“, erklärte Gislason. „Alle anderen haben gesagt, dass sie dabei sind, wenn sie nominiert werden. Ich gehe also davon aus, dass es so bleibt.“
Generelle Bedenken an der WM hat Gislason trotz der Pandemie nicht. „Natürlich wissen auch wir, dass wir mit Covid-19 zu kämpfen haben. Aber wir haben es in der Bundesliga erlebt, wie gut die Hygienekonzepte funktionieren. Bislang gibt es keine direkte Ansteckung in den Hallen“, sagte der Bundestrainer. Eine WM-Absage stand für ihn daher nie zur Debatte: „Ich bin Nationaltrainer, die WM ist meine Aufgabe.“