Auf der morgendlichen Busfahrt ins neue WM-Teamhotel im Osten der riesigen Zehn-Millionen-Metropole Kairo schworen sich die deutschen Handballer auf den Showdown mit Europameister Spanien ein.
Im Kampf um den Viertelfinaleinzug hat das erste Hauptrundenspiel an diesem Donnerstag (20.30 Uhr/ZDF) nach der bitteren 28:29-Niederlage gegen Ungarn bereits Finalcharakter für die DHB-Auswahl, die mit 2:2 Punkten in die zweite Turnierphase startet.
„Wir wissen, dass man mit zwei Niederlagen keine große Chance mehr hat weiterzukommen“, sagte Torwart-Oldie Johannes Bitter am Mittwoch nach der Ankunft in der noblen Fünf-Sterne-Unterkunft St. Regis Al Masa. „Deshalb geht es um viel.“ Und Rückraumspieler Paul Drux prophezeite: „Das ist ein Do-or-Die-Spiel für uns, für die Spanier aber auch. Von daher wird sehr viel Feuer drin sein.“
Vor allem die routinierten Akteure sind nun gefordert, soll das WM-Abenteuer für die neuformierte Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason nicht vorzeitig enden. „Die Jungen müssen all ihre Energie reinbringen, und die Erfahrenen müssen die Energie lenken“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning.
Mit seiner Forderung stieß er auf offene Ohren. „Das Allerwichtigste ist, dass man jetzt mit Zuversicht nach vorne schaut. Gerade da müssen wir erfahrenen Spieler helfen, denn wir haben eine Menge Spieler dabei, die das nicht kennen, für die das Turnier im Kopf vielleicht gestern schon kurz vorbei war“, sagte der 38 Jahre alte Bitter. „Aber wir wissen alle, was Deutschland schon bei Turnieren erreicht hat, und dass man da auch in der Vorrunde schon mal verloren hat.“
Auch der bislang um seine Form ringende Kapitän Uwe Gensheimer, der gegen Ungarn erst in der zweiten Halbzeit zum Einsatz kam, will seiner Verantwortung gerecht werden. „Wir sind heiß drauf“, sagte der 34 Jahre alte Linksaußen. Er habe das Gefühl, dass allen bewusst sei, worum es gegen die Spanier gehe. „Wir werden mit allem, was wir haben, reingehen“, versprach Gensheimer.
Direkt nach dem Mittagessen scharte Gislason seine Schützlinge für ein ausführliches Videostudium um sich, am Nachmittag stand noch einmal eine Trainingseinheit auf dem Plan. Erst danach wollte sich der 61 Jahre alte Isländer auf seinen 16-Mann-Kader festlegen. „Es wird bestimmt ein paar Änderungen geben“, kündigte Gislason personelle Wechsel an, ohne dabei Namen zu nennen.
Klar ist die Konstellation: Ungarn führt die Gruppe mit 4:0 Punkten vor Spanien (3:1) an. Dahinter folgen gleichauf Deutschland und Polen (2:2) sowie Brasilien (1:3). Außenseiter Uruguay (0:4) hat keine Chance auf die ersten zwei Plätze, die den Einzug in die K.o.-Runde bringen. „Ich glaube, die Gruppe ist sehr eng, da wird noch eine Menge passieren können“, prophezeite Bitter.
Den Druck, der gegen Spanien auf dem deutschen Team lastet, wollte aber auch der Weltmeister von 2007 nicht kleinreden. „Wir hätten gerne ein Kann-Spiel gehabt. Jetzt haben wir ein Spiel, das wir gewinnen sollen“, sagte der Schlussmann vom TVB Stuttgart.
Dabei wird es auch auf das Torhütergespann ankommen, das im Duell mit den Ungarn zu oft von den Vorderleuten im Stich gelassen wurde und daher nicht den erhofften Rückhalt geben konnte. Hanning ist überzeugt davon, dass Stamm-Keeper Andreas Wolff zu großer Form auflaufen wird. „Wir waren nach dem Ungarn-Spiel noch relativ lange zusammen, und ich habe das Gefühl, dass er uns ein gutes Spiel geben wird“, sagte er.
Vor allem in der Abwehr muss sich die DHB-Auswahl mächtig steigern, um nicht wie bei der EM im Vorjahr unterzugehen. Damals setzte es in der Vorrunde gegen den späteren Titelträger eine herbe 26:33-Schlappe. Auch bei der EM 2018 war die deutsche Mannschaft beim 27:31 im entscheidenden Hauptrundenspiel chancenlos. „Wir müssen vieles besser machen, wenn wir das Spiel gewinnen wollen. Wir brauchen einen optimalen Tag, um Spanien zu schlagen“, sagte Gislason. So wie beim 24:17 im EM-Finale vor fünf Jahren.
Die Erinnerung daran und das Wissen um die eigene Stärken sollen die Mannschaft beflügeln. „Das Turnier geht weiter, und wir haben noch alle Chancen. Darauf müssen wir uns jetzt besinnen“, sagte Drux. Und Gensheimer ergänzte: „Für uns spricht, dass wir noch einiges besser machen können.“