Der ehemalige DFL-Chef Christian Seifert plant zusammen mit dem Medienkonzern Axel Springer einen Streaminganbieter für Handball, Basketball und Eishockey.
Im Interview der Deutschen Presse-Agentur erklärt der Medien-Manager, was er vorhat, wie er über die Konkurrenz denkt und warum er ausgerechnet den Fußball ausklammert.
Nachdem Sie im Fußball-Geschäft viele Jahre Milliarden für die Bundesliga erwirtschaftet haben: Wie kommen Sie jetzt auf eine Medienplattform für die anderen Ligen?
Christian Seifert: Die Clubs der DFL haben zurecht von ihrem Geschäftsführer erwartet, die größte Liga größer zu machen, das war mein Job, und das hat mir Freude gemacht. Jetzt habe ich ein neues Kapitel begonnen und möchte anderen Sportarten helfen zu wachsen. Sport allgemein und andere Ligen liegen mir seit langem am Herzen. Schon vor zwölf Jahren habe ich deshalb die Initiative Profisport Deutschland mit initiiert, eine Interessensvertretung der professionellen Sportveranstalter in Deutschland.
Gründungsmitglieder sind die vier größten deutschen Profi-Ligen, also Basketball, Handball, Eishockey und Fußball. Nun bieten wir den Ligen jenseits des Fußballs einen echten nächsten Entwicklungsschritt an. Ihre Sportarten sollen erstmals im alleinigen Fokus einer Medienplattform stehen. Wir möchten eine Firma aufbauen, die sich von morgens bis abends auf diese Ligen konzentriert und mit vollem Einsatz daran arbeitet, noch mehr Menschen für diese Sportarten zu begeistern.
Warum klammern sie Fußball aus?
Seifert: Fußball ist außen vor, weil es dafür bereits genügend Plattformen und eine sehr breite Nachfrage gibt. Andere Sportarten haben hier noch sehr viel Luft nach oben. Unser Konzept ist sehr klar: Wir holen Sportarten aus der zweiten Reihe und stellen sie in die erste. Wir haben in Deutschland etablierte Ligen mit tollem Sport und einer großartigen Fanbasis, die aber seit Jahren darum kämpfen, genug Wahrnehmung und Wertschätzung zu bekommen. Wir sehen hier noch viel Potenzial. Dabei ist Geld alleine allerdings nicht der entscheidende Faktor.
Würde eine der genannten Ligen ihre Rechteerlöse um 25 Prozent steigern – was in Europa aktuell kaum eine Liga schafft – würde jeder Club etwa 70.000 Euro mehr erhalten pro Saison. Damit erreicht man weder eine strategische Weiterentwicklung noch stellt man Weichen für die Zukunft. Für einen wirklichen Wachstumsschritt über das nun erreichte Niveau hinaus, der neue Zuschauergruppen, neue mediale Reichweiten und neue Einnahmequellen erschließt, braucht es einen neuen Ansatz. Und den liefern wir. Aber eines ist klar: Wenn ein Rechtehalter vor allem eine Einnahmesteigerung erzielen will, dann sind wir die falschen Partner. Unser Ansatz ist langfristig und auf strategisches Wachstum der Ligen in allen Dimensionen angelegt.
Schon mit Fußball ist es schwer, einen Abokanal profitabel zu betreiben. Kann man bei den Rechtesummen, die Sie ja für die DFL reingeholt haben, mit Fußball überhaupt ein Bezahl-Modell finanzieren?
Seifert: Ob und welche Rechte ein Medienunternehmen zu welchem Preis erwirbt, ist immer das Ergebnis einer unternehmerischen Entscheidung.
Die Fans können ja schon alles sehen, Basketball und Eishockey bei der Telekom, Handball-Bundesliga bei Sky, Handball-Champions-League bei DAZN und noch vieles mehr – wozu brauchen die Fans da noch einen weiteren Anbieter und noch ein Abo?
Seifert: Die Ligen und ihre bisherigen Partner haben das bis hierher gut gemacht, es gibt Live-Flächen und eine stabile TV-Produktion. Der wesentliche Unterschied ist: Für unser Angebot haben diese Sportarten absolute Priorität – alle anderen größeren Plattformen haben objektiv betrachtet einfach ein anderes Kerngeschäft. Für uns sehen diese Sportarten und ihre Fans im Mittelpunkt.
Die derzeitigen Anbieter sind bereits am Markt und haben das Know-how. Sind Sie nicht ein bisschen spät dran? Wo ist da Ihr Geschäftsmodell? Und was können Sie besser als die?
Seifert: Was oft unterschätzt wird: Die echte Nachfrage nach einer Liga entsteht nicht am Spieltag selbst, sondern zwischen den Spieltagen. Am Spieltag wird die bestehende Nachfrage bedient. Je mehr und je konsequenter man deshalb zwischen den Spieltagen relevant und unterhaltsam kommuniziert und damit die mediale Reichweite Schritt für Schritt erhöht, desto mehr Menschen fragen eine Liga nach. Und damit steigt mittelfristig auch die Nachfrage von Sponsoren und Medien. Bestes Beispiel hierfür ist der Profi-Fußball.
Bundesliga und 2. Bundesliga sind in meiner Zeit als Geschäftsführer in allen Dimensionen gewachsen und eben nicht nur im Segment der Medienerlöse. Maßgeblich dafür war vor allem die mediale Präsenz von Themen der Liga, Clubs und Spielern. Zentral für unsere Strategie ist deshalb zum Beispiel, den verfügbaren Content und die mediale Sichtbarkeit unserer Partnerligen während der Woche deutlich zu erhöhen. Dafür sind Liga- und Club-Kanäle und Medien-Partnerschaften extrem relevant und natürlich ebenso unsere eigene Plattform.
Mit den derzeitigen Angeboten für Handball, Volleyball und Eishockey werden bei großzügiger Berechnung zusammen etwa 500.000 Menschen erreicht. Wie wollen Sie da Geld verdienen?
Seifert: Es gibt Millionen Fans, die sich bisher noch nicht für ein Live-Produkt entschieden haben oder derzeit einfach gar nicht erreicht werden. Das Potenzial ist also viel größer. Unser Bezahlmodell soll sich natürlich am Ende rechnen, übrigens auch für unsere Partner im Plattformbereich. Wir werden bestehenden Anbietern wie Sky, Magenta TV und anderen Akteuren attraktive Angebote zur Zusammenarbeit machen und können uns sehr gut vorstellen, auf deren Plattformen präsent zu sein. Wenn wir die Kräfte wirklich bündeln, gewinnen am Ende alle: die Ligen, deren Fans, unsere Vertriebspartner, und natürlich wollen auch wir als Unternehmen erfolgreich sein.
Glauben Sie Telekom-Chef Timotheus Höttges lässt sich beim Rechtekauf erst von Ihnen ausstechen und kauft dann anschließend bei Ihnen ein?
Seifert: Bei der Telekom arbeiten Profis, allen voran Timotheus Höttges. Er hat das Unternehmen zu einem globalen Multi-Milliarden-Player gemacht, ist ein herausragender Stratege und ein ebenso guter Rechner. Von einer Partnerschaft mit einem neuen medialen Angebot, das zahlreiche Ligen bündelt und mit voller Konzentration technisch erstklassig produziert und bewirbt und damit diese Sportarten wachsen lässt, würden alle profitieren: die Ligen, die Fans und die Plattformen, die das Produkt anbieten.
Angenommen, es klappt am Anfang mit Handball, Volleyball und Eishockey: Was kostet das den Fan? Und wann erhöhen Sie dann den Preis wie zuletzt DAZN?
Seifert: Unser Preispunkt wird sehr günstig sein. Wir schauen im Übrigen mehr auf ESPN als auf DAZN. ESPN hat 1979 auch klein angefangen und zuerst Sportarten wie College-Basketball, Softball und Traktorrennen gezeigt. Heute gehören sie zu den größten Sportmarken überhaupt – aber begonnen hat es mit einer grundsätzlich anderen Sicht auf das Potenzial und die Attraktivität von Sportarten, die bis dahin weniger im Fokus standen.
Sie haben auch herausragende Einzelsportevents als Ziel angekündigt. Meinen sie damit auch Olympische Spiele – oder ist das zu groß?
Seifert: Zunächst mal konzentrieren wir uns auf die Ligen, dann schauen wir weiter. Generell gilt, dass wir uns das Entwicklungspotenzial von Ligen und Events ansehen. Die Olympischen Spiele sind insofern nichts, mit dem wir uns momentan beschäftigen.
Bisher waren sie Verkäufer von Rechten, jetzt wollen sie einkaufen. Was ist anders?
Seifert: Ich habe in allen Ausschreibungen immer versucht wie meine Medienpartner zu denken, denn nur dann können Sie als Liga Rechtepakete anbieten, die Unternehmen in die Lage versetzen, das bestmögliche finanzielle und konzeptionelle Angebot zu machen. Es geht auf beiden Seiten des Verhandlungstisches vor allem darum, den Sport in den Mittelpunkt zu stellen, die Bedürfnisse von Ligen, Clubs und Fans zu verstehen und diese bestmöglich in einem medialen Produkt zu vereinen. Nur wenn das gelingt, hat man dauerhaft Erfolg, als Liga ebenso wie als Medienunternehmen.
Zur Person: Christian Seifert, geboren am 8. Mai 1969, war von 2005 bis 2021 für die Deutsche Fußball Liga tätig. Als Geschäftsführer sorgte er beim Verkauf der Bundesliga-Medienrechte für Milliarden- Einnahmen. Als Gründer des Beteiligungsunternehmens Reedstreet Ventures betreibt er jetzt ein Medien-Start-up für Sport, an dem sich der Medienkonzern Axel Springer mehrheitlich beteiligt hat.