Wien (dpa) – Einen kilometerweit von der Halle entfernten Videokeller? Gibt es bei der Handball-Europameisterschaft nicht.
Es gibt außerhalb der Arenen auch keine Container, in denen Schiedsrichter vor Bildschirmen hocken, um strittige Szenen zu überprüfen und dann per Headset eine Entscheidung an die Referees auf dem Spielfeld weiterzugeben. Trotzdem existiert auch im Handball der Videobeweis. Aber er wird von den Unparteiischen mitten in der Halle angewendet. «Die Interpretation des Videos liegt allein bei dir. Das ist im Fußball nicht der Fall. Mein Partner und ich können die Szene zwischen uns diskutieren», sagte der dänische Referee Martin Gjeding. «Wir haben keinen im Ohr, der uns dabei unterbricht.»
Was überprüft wird, wird den Zuschauern in der Halle direkt auf der Videowand angezeigt. War der Ball über der Linie oder nicht? Wurde ein schweres Foul und eine damit verbundene Rote Karte übersehen? Das sind zwei der häufigsten Fälle, und die Unparteiischen in der Halle alleine entscheiden, ob sie eine entsprechende Szene nochmals überprüfen.
Es gibt die zwei Schiedsrichter auf der Platte sowie zwei Delegierte am Spielfeldrand, die jeweils jederzeit eine Video-Überprüfung beantragen können. Entschieden wird dann allein von den zwei Schiedsrichtern. Anders als etwa in der Fußball-Bundesliga geht das bei der EM bislang geräuschlos über die Bühne und ohne Pfiffe der Fans. Kann der Fußball vom Handball lernen?
«Im VAR-System des Fußballs ist es eine Gruppenentscheidung, die oft von denen getroffen wird, die von außen eingreifen. Das ist im Handball nicht der Fall», sagte Helmut Höritsch vom Europäischen Verband EHF. Auch der Deutsche Handballbund (DHB) sieht die Anwendung des Videobeweises bei der EM im Allgemeinen positiv. «Ich finde es grundsätzlich gut, dass durch den Videobeweis mehr Gerechtigkeit in den Handball reingebracht wird», sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer. Auch im Fußball finde er es beispielsweise gut, dass durch den Videobeweis Tätlichkeiten geahndet werden könnten, die im Rücken der Schiedsrichter passiert seien.
«Aber ich finde nicht gut, dass dort kaum noch gejubelt werden kann, wenn ein Tor fällt, weil das dann noch gecheckt werden muss.» Das sei im Handball besser, sagt Kromer. «Aber klar ist im Handball auch, dass ein Tor dort gar nicht diese Relevanz hat, weil viel mehr davon fallen.» Abseits gibt es im Handball übrigens nicht. Auch das macht manches sicher leichter.