Weltmeister, deutscher Meister und Champions-League-Sieger als Spieler, Aufstiegstrainer – Torsten Jansen, Trainer des Handball Sport Vereins Hamburg (HSVH), hat in seiner Karriere so ziemlich alles erlebt. Die aktuelle Corona-Situation ist jedoch auch für ihn völliges Neuland. Im Interview mit shz.de-Reporter Lars Zimmermann spricht Jansen darüber, wie sich die Pandemie auf seine Arbeit auswirkt und äußert sich zur aktuellen Handball-EM, zur kurzfristigen EM-Nominierung von HSVH-Keeper Johannes „Jogi“ Bitter und zur starken Bundesliga-Premierensaison der Hamburger.
Sind Sie mit dem bisherigen Saisonverlauf zufrieden?
Es gibt immer Verbesserungspotenzial. Wenn man uns vorher gesagt hätte, dass wir nach 18 Spielen mit 16 Punkten auf Platz zehn stehen, hätten wir das sofort unterschrieben. Es waren allerdings auch einige enge Spiele dabei, in denen durchaus noch mehr drin gewesen wäre. Wirklich chancenlos waren wir nur in ganz wenigen Partien. Insgesamt war es aber ganz ordentlich, was wir abgeliefert haben.
In welchen Bereichen ist Luft nach oben?
Mehr Tempo, bessere Lösungen im Überzahlspiel – das sind nur zwei Beispiele. Gerade in diesen Bereichen werden wir in der Vorbereitung auf die zweite Saisonhälfte besonders arbeiten. Uns muss bewusst sein, dass wir trotz der gelungenen Hinrunde noch nichts geschafft haben. Die Mannschaften hinter uns sind in der Lage, regelmäßig zu punkten und wenn wir nicht aufpassen, können wir ganz schnell unten reinrutschen. Wir müssen also weiter wachsam sein. Prognosen, was sein könnte, helfen ohnehin nicht weiter. Wir konzentrieren uns darauf, uns weiter zu verbessern, schauen von Spiel zu Spiel und versuchen, so schnell wie möglich Punkte zu sammeln. Je früher der Klassenerhalt feststeht, desto besser.
Welche Rolle spielt Corona?
Wir testen ständig, müssen aber wie alle anderen täglich damit rechnen, dass Corona-Fälle bei uns auftreten. Großartige Planungen sind da schwierig, zumal unabhängig von der Pandemie auch immer wieder Spieler angeschlagen sind. Es kann also jederzeit passieren, dass die Trainingspläne kurzfristig umgeworfen werden. Das macht die Vorbereitung nicht einfacher. Wir können davon ausgehen, dass wir bis zum Saisonende vermutlich nie die komplette Mannschaft beisammen haben werden. Irgendjemand dürfte immer fehlen.
Kann man unter diesen Umständen überhaupt noch von einem regulären Wettbewerb sprechen?
Wir müssen mit der Situation so umgehen, wie sie ist. Deswegen versuche ich, mich so wenig wie möglich damit zu beschäftigen. Wir können froh sein, dass wir überhaupt spielen dürfen.
Wer ist Ihr Meisterschaftsfavorit?
Nach jetzigem Stand hat Magdeburg die besten Karten. Aber in der derzeitigen Situation kann keiner sagen, was in den kommenden Monaten noch alles passiert. Wegen Corona kann ja von einem Tag auf den anderen die komplette Mannschaft wegbrechen. Deswegen hoffe ich, dass wir gesund durch die Saison kommen, um unsere Ziele zu erreichen.
Verfolgen Sie aktuell die Handball-EM?
Ich bin keiner, der sich jedes Spiel anschaut, sondern suche mir eher gezielt bestimmte Partien aus. Bei einem solchen Turnier wird auch immer nach möglichen Spielern Ausschau gehalten. Es ist ja kein Geheimnis, dass wir für die kommende Saison beispielsweise einen Kreisläufer brauchen. Danach gucken wir aber nicht nur bei der Europameisterschaft. Es gehört dazu, sich auf Video einen Eindruck von möglichen Kandidaten zu verschaffen. Gerade, wenn diese in einer Liga spielen, die man sonst nicht so auf dem Schirm hat.
Macht ein solches Turnier wie die EM unter diesen Umständen überhaupt Sinn?
Das ist schwer zu beantworten. Wer den Europameistertitel gewinnt, wird sich auf jeden Fall darüber freuen. Der Titel ist auch in dieser Situation wertvoll. Die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, ist zudem leider überall groß. Nicht nur bei der EM, sondern auch hier.
Wie beurteilen Sie den Neuaufbau der Nationalmannschaft mit vielen jungen Spielern?
Umbrüche gehören zum Sport dazu. Ich finde es gut, dass auch Spieler aus der zweiten Liga eine Chance bekommen und Wert darauf gelegt wird, eine Mannschaft aufzubauen, die langfristig Perspektive hat. Es ist zwar bedauerlich, dass kurzfristig wegen Corona so viele Spieler ausgefallen sind. Dass aber sofort starker Ersatz geholt werden konnte, zeigt, wie viele gute Spieler es in Deutschland gibt.
Auch HSVH-Torhüter Johannes „Jogi“ Bitter reiste kurzfristig zur EM. Hätten Sie es lieber gesehen, wenn er in der aktuellen Situation in Hamburg geblieben wäre?
Jogi hatte ja schon vorher angekündigt, dass er im Notfall zur Verfügung steht. Dass er dieses Versprechen hält, finde ich super.