Die Corona-Fälle nehmen zu, die Kritik auch – doch ein Abbruch der Handball-EM wird von den Organisatoren derzeit kategorisch ausgeschlossen.
„Wir planen damit, das Turnier bis zum Ende durchzuführen”, bekräftigte Martin Hausleitner, Generalsekretär der Europäischen Handball-Föderation (EHF). „Die Mannschaften sind bereit, die Bedingungen anzunehmen.”
Mehr als 100 Spieler aus den 24 Teams haben sich bei der Endrunde in Ungarn und der Slowakei bereits mit dem Coronavirus infiziert. Angesichts der dynamischen Entwicklung wollte Hausleitner keine Garantie geben, dass das Turnier tatsächlich regulär zu Ende gespielt wird. „Wir schauen von Tag zu Tag und wissen nicht, welche Herausforderungen morgen auf uns zukommen”, betonte der Österreicher. Die Omikron-Variante habe die Situation bei der EM „komplett verändert. Wir versuchen, uns Tag für Tag anzupassen”.
Hausleitner verteidigte zugleich das Konzept, die EM – anders als die Weltmeisterschaft im Vorjahr in Ägypten – nicht in einer kompletten Blase auszutragen. In der Slowakei dürfen die Hallen zu 25 Prozent ausgelastet werden, in Ungarn gibt es gar keine Zuschauerbeschränkungen. „Ich kann das nicht als fatalen Fehler bezeichnen. Ganz Europa ist kurzfristig mit Omikron konfrontiert worden”, sagte der EHF-Generelsekretär und ergänzte: „Wir denken so weit, dass wir den Menschen ein Stück Normalität zurückgeben wollen.”
Unterschied zwischen Delta und Omikron
Diese Meinung teilt auch Frank Bohmann. „Ich glaube, vor sechs Wochen wäre mit der Delta-Variante und ihren Verläufen das Turnier abgebrochen worden. Jetzt aber, und davon ausgehend, dass die Infektionen auf das Omikron-Virus zurückzuführen sind, haben wir gesagt: Das ist das neue Normal”, sagte der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung” und fügte hinzu: „Wir müssen damit leben. Das zeigen auch die täglich neuen Rekorde bei den Zahlen der Infektionen in Deutschland.”
Hausleitner betonte nachdrücklich, dass es oberstes Gebot sei, nicht die Gesundheit der Spieler zu gefährden. Dazu gehört ein intensiver Medizin-Check bei Spielern, die nach einer Infizierung und mindestens fünftägiger Quarantäne ins Turnier zurückkehren wollen. Zu diesem Kreis zählt auch Deutschlands Rückraumspieler Julius Kühn, der am vergangenen Samstag positiv getestet worden war. „Bevor wir ihm eine leistungssportliche Belastung zumuten, wird es einen umfassenden Test geben. Eine mögliche Rückkehr wird definitiv die Entscheidung des Arztes sein und nicht die des Trainers”, sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer.
Konsequenzen bei Rückzug
Der Deutsche Handballbund ist bei der Endrunde bisher am stärksten betroffen und hatte nach zwölf Corona-Fällen kurzzeitig sogar einen Rückzug erwogen. Dies wäre den Verband jedoch teuer zu stehen gekommen. „Ein Ausscheiden aus dem Turnier hätte nach unserem Rechtssystem eine Sperre der Nation bedeutet, also keine Teilnahme an einer WM-Qualifikation und schwierige Umstände hinsichtlich der EM 2024”, erklärte Hausleitner. In zwei Jahren ist Deutschland EM-Gastgeber. „Es hätte auch wirtschaftliche Konsequenzen gegeben, bei denen wir auch verpflichtet gewesen wären, sie einzufordern”, ergänzte Hausleitner.
Einen Imageschaden für den Handball fürchtet er trotz der täglichen Hiobsbotschaften von infizierten Spielern nicht. „Es gibt in den verschiedenen Ländern verschiedenste Zugänge zum Corona-Thema. Wir müssen das große Ganze im Blick behalten und können die Tendenz nicht ignorieren. Kein Land in Europa geht in einen Lockdown. Für uns ist es keine Option, sich dieser Wirklichkeit nicht zu stellen”, betonte Hausleitner.
Doch es gibt auch kritische Stimmen aus dem Kreis der EM-Teilnehmer. Denn nicht in allen Spielorten werden die strengen Hygieneregeln auch wirklich umgesetzt. So klagte Islands Verbandschef Róbert Geir Gíslason: „In der Gruppenphase gab es eine Menge anderer Gäste im Hotel, die ohne Masken überall herumliefen. Im Restaurant, in der Bar, in allen Aufzügen und anderswo saßen Gäste auf unserer Etage. Es gibt also viele mögliche Infektionswege.” Bis zum Freitagmorgen hatten die Isländer sechs Corona-Fälle im Team verzeichnet.