Am Ende wussten die Spieler des THW Kiel nicht so recht, ob sie sich freuen oder ärgern sollten. Mit dem 24:24 (11:14) hatte der deutsche Handball-Rekordmeister trotz widrigster Umstände im Spitzenspiel gegen den SC Magdeburg noch einen Punkt geholt. In der letzten Szene des Spiels verweigerten die Unparteiischen dem THW aber einen Siebenmeter. Die Chance zum Sieg war dahin.
Filip Jicha konnte sich auch ein paar Minuten nach dem Schlusspfiff kaum beruhigen. Dabei regte sich der THW-Coach gar nicht einmal so sehr über die letzte Entscheidung, sondern immer noch über die Ansetzung der Partie auf.
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Jichas Wutrede
„Ich bin stolz und wütend“, sagte der Handballlehrer. Es sei wahnsinnig, was seine Mannschaft geleistet habe, so Jicha am Sky-Mikrofon. Eine einzige Trainingseinheit hatte der Tscheche mit den Kielern, die nach 14-tägiger Corona-Quarantäne einen Tag vor dem gestrigen Spiel erstmals wieder ihre Wohnungen verlassen durften. Die Kieler beantragten zwar eine Spielverlegung, die Handball-Bundesliga (HBL) lehnte aber ab. Für Jicha ein absolutes Unding: „Es geht hier um die Gesundheit der Spieler. Dass wir spielen mussten, war und ist gefährlich für den Körper. So behandelt man kein Mitglied der Handball-Familie.“ Jicha hatte offenbar sogar in Erwägung gezogen, nicht anzutreten und die Punkte freiwillig dem SCM zu überlassen, doch da hat seine Mannschaft nicht mitgespielt.
Fehlende Spielpraxis
Zum Spiel. Nach ausgeglichener Anfangsphase, in der die Kieler sogar bis zur 15. Minute stets in Front lagen, übernahmen die Magdeburger die Initiative. Mit ihrem schnellen Spiel auf die Außen sorgte der SCM für große Gefahr und holte sich die Führung. Vor allem Daniel Pettersson war kaum zu stoppen. Vier Treffer erzielte der Schwede in Folge, sorgte so mit dem 9:7 für die erste Zwei-Tore-Führung der Gäste. Jetzt merkte man tatsächlich, dass die Kieler längere Zeit keinen Ball mehr in den Händen gehalten hatten. Immer häufiger landeten Pässe im Aus oder in den Armen der Magdeburger.
Der THW versuchte mit Kampfgeist gegen das mangelnde Spielverständnis anzugehen. Nur gut, dass Niklas Landin im THW-Tor die lange Zwangspause nicht anzumerken war. Er sorgte mit einigen Paraden dafür, dass die Bördeländer zur Pause nur mit drei Treffern führten.
Halbzeit des Willens
Durchgang zwei war dann aus Kieler Sicht eine Halbzeit des absoluten Willens. Magdeburg wirkte weiter spritziger und hatte die besseren Ideen, aber der THW wehrte sich mit aller Macht gegen die drohende Niederlage. Vorbildlich ging wieder einmal Kapitän Domagoj Duvnjak voran, der mit dem 22:22 nach langer Zeit auch erstmals wieder für Gleichstand sorgte (53.). Drei Minuten vor Schluss war Niclas Ekberg mit seinem achten Treffer dann sogar zur Kieler Führung (24:23) zur Stelle.
Umstrittene Schlusssekunden
Die dramatische Schlussphase war eingeläutet. Omar Ingi Magnusson traf zum Ausgleich. Der THW wollte mehr, setzte in den letzten Sekunden alles auf eine Karte. Niklas Landin machte Platz für den siebten Feldspieler, Harald Reinkind nahm sich den letzten Wurf. SCM-Keeper Jannick Green parierte, rutschte beim Versuch, den abprallenden Ball zu sichern, aber aus dem Sechs-Meter-Raum hinaus in THW-Linksaußen Magnus Landin hinein. Die Schiedsrichter Martin Thöne/Marijo Zupanovic erkannten darin keine klare Verhinderung einer Torchance, entschieden nicht auf Siebenmeter, sondern lediglich auf Freiwurf, den Reinkind nicht an der Magdeburger Mauer vorbeibekam. „Das ist schade. Mit ein bisschen mehr Spielpraxis hätte das heute anders ausgehen können“, brachte es Niklas Landin am Ende auf den Punkt.
THW Kiel: N. Landin, Quenstedt (n.e.); Ehrig, Duvnjak (5), Sagosen (3), Reinkind (3), M. Landin (1), Sunnefeldt, Weinhold (2), Wiencek (2), Ekberg (8/3), Voigt, Horak, Pekeler
SC Magdeburg: Thulin, Green; Musa, Chrapkowski, Kluge, Steinert (2), Kristjansson (1), Pettersson (8), Magnusson (5/3), Hornke, Gullerud, Mertens (5), O’Sullivan (2), Bezjak (1), Preuss
Schiedsrichter: Thöne / Zupanovic
Zeitstrafen: 5:4
Siebenmeter: 3:4