Zehn Jahre in Schleswig-Holstein färben ab. Das spürt der Franke Steffen Weinhold (35) am eigenen Leib. Im Interview erzählt der Handballer des THW Kiel von norddeutschen Charakterzügen, er bewertet die Nationalmannschaft, aus der er zurückgetreten ist, und gibt Einblicke in seine Zukunftsgedanken.
Außerdem Thema: Der Bundesliga-Kracher am Sonnabend (18 Uhr/ARD und Sky) beim souveränen Spitzenreiter SC Magdeburg.
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Hinter Ihnen liegt eine Länderspielwoche zum Durchschnaufen. Hat sich der Rücktritt aus der Nationalmannschaft nach den Olympischen Spielen gelohnt?
Steffen Weinhold: Im Januar habe ich während der EM zwar Lust gefühlt, doch noch mitzuspielen. Aber es hängt mehr dran an 60 Minuten Handball. Alleine das, was man in die Vorbereitung auf ein Spiel stecken muss. Wenn ich das große Ganze sehe, habe ich den Rücktritt überhaupt nicht bereut.
Inwiefern profitieren Sie von den häufigeren Pausen?
Es ist für den Kopf viel leichter. Sonst war es am Anfang der Saison so, dass ich gar nicht wusste, wann ich mal zwei Tage am Stück frei haben werde. Man legt dann einfach los und zieht es durch. Jetzt weiß ich: Wir spielen acht Wochen am Stück, dann sind drei Tage frei, dann kommt der nächste Block. Ich kann den Fokus auf diese Weise besser halten.
Und körperlich?
Ich habe im DHB-Team nicht wegen körperlicher Probleme aufgehört. Deswegen kann ich nicht sagen, dass ich mich jetzt viel besser fühle.
Was halten Sie von den jüngsten Auftritten der deutschen Mannschaft?
Die EM hat gezeigt, dass wir einen breiten Kader haben. Ich sehe schon die Möglichkeit, dass sich eine Mannschaft findet, die lange zusammenspielen und bei Turnieren ins Halbfinale kommen kann. Klar, zu Dänemark, Frankreich oder Schweden fehlt etwas, die sind im Moment einfach besser. Deutschland kann das über andere Attribute wettmachen. Als Einheit. Der Januar hat das Team emotional zusammengebracht.
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Ihren Vertrag in Kiel haben Sie bis 2023 verlängert. Sie werden dann fast 37 Jahre alt sein. Denken Sie ans Aufhören?
Im Moment sehe ich keinen Grund, warum ich dann nicht mehr Handball spielen sollte.
Aber es ist nicht verkehrt, sich von Jahr zu Jahr Gedanken zu machen.
Können Sie sich als gebürtiger Franke vorstellen, nach dem Karriereende im Norden zu bleiben?
Meine Frau und ich diskutieren das. Grundsätzlich ja, weil wir uns hier mittlerweile zu Hause fühlen. Unsere Kinder sind hier geboren, wir haben uns ein soziales Umfeld abseits des Handballs aufgebaut. Es gibt aber auch Punkte, die dagegen sprechen. Alle Großeltern, Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen wohnen an einem Ort, der weit weg ist. Es wäre für die Kinder schön, mehr Kontakt zu haben.
Ist nach zwei Jahren in Flensburg und bald acht in Kiel aus Steffen Weinhold ein Norddeutscher geworden?
Wahrscheinlich schon. Für die Leute hier mag ich Dialekt sprechen. Aber wenn ich nach Hause fahre, erschrecke ich mich, wie ich rede (lacht). Ich habe sicherlich auch klassische Charakterzüge, die man Norddeutschen nachsagt. Aber es ist schwer zu sagen, ob ich ein anderer Mensch wäre, wenn ich zehn Jahre in Franken gewesen wäre.
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Was wollen Sie nach der Karriere machen?
So genau weiß ich das noch nicht. Wenn du so lange in der Handball-Welt unterwegs bist, musst du erstmal andere Bereiche kennenlernen. Ich habe zwar einen Master-Abschluss in International Management und Sportmanagement, doch die genaue Richtung muss sich erst herauskristallisieren.
Kommende Saison wird der THW inklusive der Neuzugänge Tomas Mrkva und Petter Överby zehn Spieler im Kader haben, die 30 Jahre oder älter sind. Wurde die kontinuierliche Verjüngung verpasst?
Das Alter ist nicht der entscheidende Faktor. Das sind nur Zahlen und Statistiken. Ich denke, ältere Mannschaften sind sogar erfolgreicher als jüngere. Es geht um Leistung. Du wirst einen Niklas Landin nicht verkaufen, nur weil er älter als 30 ist. Ich zum Beispiel fühle mich nicht wie 35.
Am Sonnabend kommt es zum Kracher beim SC Magdeburg. Kann der THW den SCM im Titelkampf noch einmal kitzeln?
In der Tabelle brauchen wir nicht mehr nach oben zu schauen. Da wird Magdeburg am Saisonende stehen. Für uns ist es einfach wichtig, uns für die Champions League zu qualifizieren. Der Kampf um Platz zwei mit Flensburg und Berlin wird eng bis zum Ende. Ich bin kein Typ, der sich Restprogramme anschaut. Möglichst viele Punkte holen und sehen, was rauskommt – so müssen wir es machen.
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