Die Proficlubs in Deutschland leiden unter den finanziellen Einbußen durch die Corona-Beschränkungen in den Stadien und den Hallen. Forderungen nach Lockerungen werden lauter.
„Unverhältnismäßig”, „existenzbedrohend” oder „Symbolpolitik” – die Verärgerung über die gravierenden Zuschauer-Einschränkungen wegen der hohen Corona-Inzidenzzahlen wird im Fußball und den anderen deutschen Top-Mannschaftssportarten immer größer.
Vor dem nächsten Treffen von Bund und Ländern am 24. Januar haben sich inzwischen die vier wichtigsten deutschen Profiligen zusammengeschlossen und fordern in einem Schreiben an das Kanzleramt und die Ministerpräsidenten ein Ende von Pauschalverboten.
„Klare, praktikable und vor allem nach vorne gerichtete Lösungen” und die „Rückbesinnung auf standortbezogene Konzepte” solle es geben, hieß es in dem Papier, das von den Verantwortlichen der Deutschen Fußball Liga (Donata Hopfen), der Deutschen Eishockey Liga (Gernot Tripcke), der Handball-Bundesliga (Frank Bohmann) und der Basketball Bundesliga (Stefan Holz) unterzeichnet wurde. Denn die Not ist groß. „An einigen Stellen ist sogar die Existenz bedroht”, lautet die alarmierende Botschaft in dem Schreiben.
Watzke spricht von "Symbolpolitik"
„Ich habe den Eindruck, dass der Fußball momentan extrem ungerecht behandelt wird. Bei aller Vorsicht, und der Fußball hat mit den Hygienekonzepten bewiesen, dass er vorsichtig sein kann. Wir spielen draußen und woanders sind die Theatersäle und die Philharmonien mit 95 Prozent Kapazität gefüllt indoor”, sagte Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke vor dem DFB-Pokalspiel beim FC St. Pauli (1:2) am Dienstag der ARD.
Der BVB-Boss hatte zuletzt schon moniert, dass „der Fußball für Symbolpolitik herhalten” müsse, wie er dem Magazin „Der Spiegel” sagte. Womöglich waren es die verschreckenden Bilder Ende November, als beim rheinischen Derby zwischen Köln und Gladbach inmitten der vierten Welle 50.000 Fans ein Fußball-Fest feierten.
Kurz darauf hatte die Spitzenvertreter der Politik die Reißleine gezogen. Ab Anfang Dezember gab es eine Höchstgrenze von 15.000 Fans, ehe am 21. Dezember beim letzten Gipfel quasi Geisterspiele beschlossen wurden. Das sei „völlig unverhältnismäßig”, wird Eckhard Sauren, Vize-Präsident des 1. FC Köln, vom Nachrichtenportal „The Pioneer” zitiert. „750 Zuschauer in einem 50.000er Stadion hat nichts mit sinnvollem Infektionsschutz zu tun.”
Immerhin machte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der früher als andere Länder Geisterspiele in seinem Freistaat angeordnet hatte, den Clubs zuletzt ein wenig Hoffnung. Der womöglich mildere Verlauf der Omikron-Variante könnte zu Lockerungen führen. Bei der Delta-Variante seien Geisterspiele wegen der Überlastung der Krankenhäuser gerechtfertigt gewesen. „Jetzt muss man sehen, wie sich Omikron entwickelt. Deswegen wird man auch bei der Frage der Zuschauer in den nächsten Wochen überlegen müssen, ist es vergleichbar von der Entwicklung her”, sagte Söder zuletzt im Sport1-„Doppelpass”.
Hoffen auf baldige Fanrückkehr
Watzke ist zuversichtlich, dass sich bald etwas tut. „Ich habe das Gefühl, dass die Ministerpräsidenten gerade umdenken”, sagte er: „Ich glaube, dass wir Anfang Februar eine andere Situation haben.” Zumindest eine Auslastung von 25 Prozent in den Stadien hält Watzke für angemessen. Derzeit sind bis auf Sachsen-Anhalt, wo eine 50-prozentige Auslastung erlaubt ist, derzeit nur wenige hundert bis maximal einige tausend Fans in den Arenen zugelassen.
Auch Vorstandschef Oliver Kahn vom FC Bayern München hofft auf eine baldige Zuschauer-Rückkehr. „Wir begrüßen ausdrücklich, dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder bei einer entsprechenden Pandemie-Entwicklung die Rückkehr der Zuschauer in Aussicht gestellt hat. Wir sind davon überzeugt, dass die Zuschauerkonzepte der Clubs eine starke Grundlage bilden, um diesen Schritt mit den zuständigen staatlichen Stellen angehen zu können”, sagte Kahn am Mittwoch auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Der Sport braucht seine Fans und ihre Emotionen – in den Stadien und in den Hallen.”
Ob das Thema bereits am nächsten Montag auf die Tagesordnung kommt, ist fraglich. Die Diskussion um die Besetzung von Fußballstadien habe in der Vergangenheit immer wieder eine Rolle gespielt, auch bei den Zusammenkünften des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder. Er könne nicht ausschließen, dass es am Montag wieder Thema sein werde, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
Dramatische Einnahmeverluste
Genau dies fordern die vier Top-Ligen und wollen Lockerungen, sollte die Hospitalisierungsrate weiter stabil und das Risiko „eines schweren Krankheitsverlaufs bei vollständig Geimpften” verringert sein, heißt es weiter in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über das zunächst die „Bild”-Zeitung und der „Kicker” berichtet hatten. Denn es machen sich zunehmend Existenzsorgen breit. Wenn der BVB rund vier Millionen Euro pro Heimspiel verliert, ist das schmerzhaft. Noch viel dramatischer sieht es aber bei den Clubs aus den anderen Sportarten aus, die wesentlich auf Ticket-Einnahmen angewiesen sind.
„Jetzt nach zwei Jahren fällt es glaube ich den meisten wirklichen Vereinen, die eben nichts im Hintergrund haben, schwer, diese Verluste aufzufangen. Es gibt genug andere Vereine, die können das über größere Sicherheit im Hintergrund abfangen. Wir können es nicht. So geht es ganz vielen Zweitligisten, ganz vielen Drittligisten. So geht es den Eishockey-Spielern, so geht es den Basketballern. So geht es ganz, ganz vielen”, sagte jüngst Kölns Trainer Steffen Baumgart dem TV-Sender Bild.
Auch im internationalen Vergleich schmerzen den Clubs die Zuschauer-Einnahmen. Die englische Premier League, die der Bundesliga finanziell ohnehin schon weit enteilt ist, spielt jedes Wochenende in ausverkauften Stadien. In Spanien dürfen die Arenen zu 75 und die Sporthallen zu 50 Prozent ausgelastet werden. Italien hat sich erst am 8. Januar auf eine Obergrenze von 5000 Zuschauern verständigt.