Als Till Klimpke mit einem breiten Grinsen vor dem Teamhotel der deutschen Handballer stand, konnte er vom nächsten Corona-Fall noch nichts wissen.
In Bratislava zeigte sich der junge Torhüter noch beeindruckt von seiner starken Leistung beim 34:29 gegen Österreich. Wenige Stunden später ereilte ihn und die DHB-Auswahl dann der nächste Rückschlag: Der gerade erst für Rückraumspieler Julius Kühn nachnominierte Zweitliga-Profi Hendrik Wagner wurde ebenfalls positiv auf Corona getestet. Er wird der DHB-Auswahl wie Kühn damit auch beim Vorrundenfinale (18.00 Uhr/ZDF) gegen Polen fehlen.
„Ich verstehe die Welt nicht mehr“, sagte Wagner, der erst am Sonntag in der Slowakei angekommen war. „Mir geht es aktuell körperlich gut, aber die letzten Stunden waren eine emotionale Achterbahnfahrt.“ Immerhin hatte Wagner in den Stunden nach seiner Ankunft noch keinen Kontakt zur deutschen Delegation. Die PCR-Tests aller weiteren Spieler sowie des Trainerteams fielen negativ aus.
Klimpke hofft auf Einsatz von Beginn an
Ob Bundestrainer Alfred Gislason für die richtungsweisende Partie gegen Polen nun erneut einen Spieler nachnominiert, blieb zunächst offen. Sicher ist nur: Beide Mannschaften sind bereits für die Hauptrunde qualifiziert. Aber nur der Sieger nimmt die ideale Punkteausbeute mit in die nächste Turnierphase.
Dafür braucht die DHB-Auswahl am besten wieder eine Glanzleistung der Torhüter so wie jene von Klimpke beim Sieg gegen Österreich. Dabei weiß der 23-Jährige aktuell noch nicht mal, ob er erneut in der Startformation stehen wird. „Ich hoffe natürlich, dass ich anfange. Aber ich würde mich auch sehr freuen, wenn Andi ein sehr gutes Spiel machen und uns das Spiel gewinnen würde“, sagte Klimpke. Andi, das ist sein Torwart-Kollege Andreas Wolff. So oder so: Den Torhütern wird im Showdown um den Gruppensieg eine große Bedeutung zukommen.
Nur die Zähler aus dieser Partie werden in die zweite Turnierphase mitgenommen. Deshalb gilt für die DHB-Auswahl das Motto: Verlieren verboten! „Ich habe heute Morgen schon beim Frühstück die Vorfreude und Motivation in den Augen der Spieler gesehen. Die Punkte, die morgen vergeben werden, sind mitentscheidend für das Ranking in der Hauptrunde“, sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer.
Wiencek: „Till ist sehr speziell“
Den Grundstein dafür könnte erneut Klimpke legen. Mit seiner Galavorstellung gegen Österreich vor einem Millionen-Publikum an den Fernsehgeräten empfahl er sich nachdrücklich für weitere Einsätze. „Ich habe gestern Abend noch viele, viele Telefonate geführt in die Heimat. Es kamen sehr viele Glückwünsche“, berichtete der Profi vom Bundesligisten HSG Wetzlar.
Praktisch über Nacht rückte er auf der großen EM-Bühne in den Fokus. Und viele Zuschauer fragen sich: Wer ist dieser Klimpke? „Er ist offen, ehrlich und hilfsbereit“, charakterisierte Routinier Patrick Wiencek den EM-Neuling und fügte hinzu: „Till ist sehr speziell – wie Torhüter so sind.“
Klimpke selbst beschreibt sich so: „Außerhalb des Spielfeldes bin ich sehr ruhig. Aber in der Kabine bin ich schon einer, der versucht, die Mannschaft zu pushen, und auch ein wenig verrückt.“ Und scheinbar voller Energie. Selbst beim Medientermin vor dem Teamhotel konnte Klimpke kaum ruhig stehen.
Gislason lobt Klimpke
Anders als beim Auftaktsieg gegen Belarus, als Klimpke keinen Ball zu fassen bekam und schon nach gut zehn Minuten Platz für Wolff machen musste, konnte der Keeper mit dem blonden Wuschelkopf sein Potenzial abrufen. „Ich freue mich riesig für den Jungen. Er hat sehr gut gehalten“, lobte Bundestrainer Gislason.
Ob Klimpke auch gegen die Polen beginnt, ließ der 62 Jahre alte Isländer jedoch offen. Immerhin verdient Wolff sein Geld seit 2019 beim polnischen Topclub Vive Kielce und ist mit den Stärken und Schwächen aller Gegenspieler bestens vertraut. „Andi kennt die Polen natürlich extrem gut. Es spricht vieles für ihn“, sagte Gislason.
Für den Bundestrainer gibt es ohnehin keine Nummer eins oder Nummer zwei, sondern nur ein Torwart-Gespann. Und das harmoniert prächtig. „Ich habe eine sehr, sehr gute Beziehung zu Andi. Wir kennen uns jetzt schon sehr, sehr lange und hatten den gleichen Torhütertrainer“, berichtete Klimpke.
Wolff unterstützt als Ratgeber
Auch Wolff spielte einst im beschaulichen Wetzlar, ehe er beim deutschen Rekordmeister THW Kiel anheuerte. Dort arbeitete der Europameister von 2016 einige Jahre mit Gislason zusammen. Der attestierte Wolff schon vor der EM einen Reifeprozess. „Er ist erwachsener geworden“, sagte der Bundestrainer über den bärtigen Hünen.
Saß der 30-Jährige früher oft mit grimmigem Blick auf der Bank, wenn er nicht zum Einsatz kam, ist Wolff jetzt als aufbauender Ratgeber stets an der Seite seines jungen Kollegen. „Er hilft mir sehr viel. Durch seine Tipps kamen auch gestern ein paar Paraden zustande“, sagte Klimpke. Blieben jetzt weitere Corona-Fälle aus, könnten sich beide bei der EM sogar endgültig auf den Sport fokussieren. Doch das wird wohl ein Wunschdenken bleiben.