Er wurde ausgepfiffen, er wurde beschimpft – und er mochte es. „Ich fand das immer geil“, sagt Michael Müller in der aktuellen Folge des „Hölle Nord“-Podcasts. Egal, in welchem Trikot er spielte, auf Müller hatten es die Fans der SG Flensburg-Handewitt abgesehen.
Jetzt feuern sie den Handballer an. Seit Mitte Oktober und noch bis Jahresende hilft der 37 Jahre alte Schwiegersohn von Flensburgs Geschäftsführer Dierk Schmäschke bei der SG aus.
„Hölle Nord“-Podcast: Michael Müller und die SG-Fans – ein besonderes Verhältnis
Die Müller-Methode
Wenn es bei jedem seiner Ballkontakte ein gellendes Pfeifkonzert gab, wenn von der Nordtribüne „Müller, du Arschloch“ gerufen wurde, dann fing der Spaß für den Linkshänder erst an. Er hatte es – wie auch sein Zwillingsbruder Philipp, mit dem es Michael fast nur im Doppelpack gab – auf die Pfiffe und verbalen Attacken abgesehen, hat den Konflikt gesucht. Leidenschaftliche Abwehrarbeit, harte Fouls sowie ständige Diskussionen mit Gegnern und Schiedsrichtern waren feste Bestandteile seines Spiels.
Dass die Müller-Methode in vielen Hallen und besonders in Flensburg nicht gut ankam, versteht der ehemalige Nationalspieler, der seine 14 Jahre lange Bundesliga-Karriere nach Stationen in Großwallstadt, Mannheim, Wetzlar, Melsungen und Berlin eigentlich 2020 beendet hatte. „Das war oft drüber und zu viel“, blickt Müller zurück.
Weiterlesen: Der Coup mit dem Schwiegersohn: SG Flensburg-Handewitt holt Michael Müller
Das gleiche gelte für die Reaktionen der Fans, speziell auf der Flensburger Nordtribüne, deren Emotionen er mit Blicken und Gesten gerne mal zusätzlich anfachte. „Wahrscheinlich sind wir gar nicht so unterschiedlich. Beide geben 100 Prozent und mehr, wollen Erfolg für die Mannschaft.“ Müller meint:
Mit Spielbeginn schlage bei ihm ein Schalter um. „Mein Naturell ist Vollgas. Im Spiel kracht es“, sagt er. Was man aber nicht vergessen dürfe: „Nach dem Spiel sitzt man mit dem Gegner zusammen und lacht darüber.“
Was kaum vorstellbar war, passierte nach Müllers erstem Heimspiel gegen Stuttgart. Einige Zuschauer skandierten seinen Namen. Pfiffe oder Sprechchöre? „Beides hat seinen Reiz, beides trägt zur Stimmung bei“, meint der 37-Jährige.
Zurück auf dem Handball-Karussell
Dass er nach anderthalb Jahren „mit freien Wochenenden, ohne Wehwehchen und viel Zeit mit der Familie“ noch einmal aufs „Handball-Karussell“ aufgesprungen ist, liegt an den vielen Verletzungen bei der SG und am familiären Band zu Schmäschke – mit dessen Tochter Kaja und den beiden Kindern lebt Müller in Jarplund.
Ein SG-Engagement sei auch letzte Saison schon einmal Thema gewesen, aber nie ernsthaft. Aus Spaß wurde ernst, als vor einigen Wochen Trainer Maik Machulla anrief. „Wenn die SG anfragt, muss man ja sagen“, findet Müller. Ihm sei nur wichtig gewesen, „dass die Mannschaft das mitträgt“.
Seine Verpflichtung sorgte für Aufsehen. „Die Hauptnachricht, die ich bekommen habe, war: ,Das glaube ich nicht‘“, erzählt Müller und lacht.
Der Routinier kann damit leben, hauptsächlich im Training und nur hin und wieder in der Abwehr gebraucht zu werden. „Ich bin keine 20 mehr, ich muss mich nicht mehr präsentieren“, sagt Müller. Für ihn wäre es sogar okay, aus dem Kader zu rücken, wenn verletzte Spieler zurückkommen. „Ich setze mich dann zu den Zuschauern – und schaue der Nordtribüne zu.“
Auch interessant: Göran Sögard und die große Geduldsprobe