Zum Abschied wird es noch einmal bunt. Bob Hanning hat zwar kurz überlegt, ob er ausnahmsweise vielleicht doch einen dunklen Anzug anziehen soll. Aber das hätte ja irgendwie nicht gepasst.
Also wird der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB) auch bei seiner letzten Rede im Rahmen des Bundestags am Sonntag in Düsseldorf wieder einen seiner berühmten Pullover tragen. „Alles andere wäre ja auch ein bisschen komisch gewesen“, sagt der 53-Jährige mit einem Schmunzeln. Dass sich die Verbandsspitze während seiner acht Jahre langen Amtszeit mehrfach an der extravaganten Kleidung gestört hatte, kümmert ihn auch bei seinem persönlichen Schlussakt nicht. Einmal müssen sie den ebenso streitbaren wie mächtigen Funktionär noch in voller Farbenpracht ertragen.
Bruch mit Ex-Bundestrainer Brand
Es wird Menschen geben, die danach aufatmen. Andere werden den 1,68 Meter kleinen Hanning im Verband vermissen. Als er 2013 zur Wahl angetreten war, trug er zwar keine bunten Klamotten, trat einigen Altvorderen dafür aber verbal vors Schienbein. Hanning krempelte den DHB nach seinen Vorstellungen um und scherte sich nie um frühere Verdienste einstiger Handball-Legenden. Das führte unter anderem zum Bruch mit Ex-Bundestrainer Heiner Brand – aber auch zu außergewöhnlichen Erfolgen der Nationalmannschaft.
„Ich habe ihn immer geschätzt. Bob ist in vielerlei Hinsicht immer ein Dynamo für unsere Sportart gewesen. Aber manchmal musste man ihn bremsen“, sagt sein Präsidiumskollege Uwe Schwenker. Noch heute schütteln einige den Kopf darüber, dass sich Hanning als Coach des HSV Hamburg mal zu PR-Zwecken als Napoleon hat fotografieren lassen. Brand dagegen hat es nie verwunden, dass seit Hannings Einstieg 2013 kein Platz mehr für ihn im DHB war.
„Im Handball war Heiner inzwischen zu einem Auslaufmodellgeworden. Leider. Er verkörperte die gute alte Zeit“, schreibt der Geschäftsführer der Füchse Berlin in seiner Autobiografie „Hanning. Macht. Handball“ über den damaligen DHB-Manager Brand. Bei Hanning stehe die Eigeninszenierung im Vordergrund, er „braucht Leute und benutzt sie“, polterte Brand vor Jahren in der „Sport Bild“. Brand verschwand nach Hannings Wahl irgendwann aus dem DHB. Hanning blieb.
Hanning – der Sturkopf
Aber was bleibt nun von ihm? „Wir sind jetzt ausvermarktet. Wir können uns den Hauptsponsor auf der Brust aussuchen. Die Männer-Nationalmannschaft hat Fernsehverträge bis 2025. Wir haben die Männer-EM 2024, die Frauen-WM 2025 und die Männer-WM 2027 in Deutschland. Meine Aufgabe ist an der Stelle erledigt“, sagt Hanning. Auch dass die Nationalmannschaft 2016 sensationell Europameister wurde, liegt zu großen Teilen an seinem Sturkopf, weil er gegen Widerstände den damaligen Erfolgscoach Dagur Sigurdsson durchsetzte.
Auf der anderen Seite war es dann aber auch Hanning, der die 500.000 Euro teure Verpflichtung von Sigurdssons Nachfolger Christian Prokop verantwortete, was er als den größten Fehler seiner Amtszeit bezeichnet. „Natürlich gab es nicht nur schöne Momente. Es gab Momente, in denen ich mich geärgert, mich einsam gefühlt habe, in denen die Wut in mir hochkochte“, schreibt er in seinem Buch. „Es gab Momente, in denen ich mir gewünscht hätte, nicht nur als Provokateur gesehen zu werden“.
Handeln im Sinne der Sache
Dennoch werden einige dieses Bild von ihm behalten, obwohl seine Leistungen für den deutschen Handball unbestritten sind. Hanning scherte sich nie um persönliche Befindlichkeiten, sondern handelte immer im Sinne der Sache: Also im Sinne des Handballs, dem er sein Leben verschrieben hat. „Ich habe den Eindruck, er merkt oft garnicht, wenn er jemandem vor den Kopf stößt“, sagt Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar. „Er ist jedenfalls keiner, der ohne mit der Wimper zu zucken Leute absägt und pfeifend über Leichen spaziert. Bob ist kein Arschloch.“
Der 48-Jährige brauchte allerdings Zeit, bis sich sein Bild von Hanning wandelte. Viele Jahre waren die beiden Alphatiere in gegenseitiger Abneigung miteinander verbunden, dann holte Hanning ihn 2019 überraschend als Sportvorstand zu den Füchsen Berlin – ganz im Sinne der Sache also, weil er Kretzschmar trotz allem für den bestmöglichen Mann bei den Füchsen hielt. Seinem Club wird er sich künftig nun noch etwas mehr widmen können. Dass es beim DHB mit dem als Nachfolger auserkorenen Jörg Föste künftig immer ruhig zugeht, muss aber auch niemand hoffen. „Wenn ich das Gefühl habe, dass Farbe fehlt, dann bringe ich sie von außen rein“, sagt Hanning.