Die Kamera war gnadenlos. Immer wieder hielt sie beim denkwürdigen Spiel der SG Flensburg-Handewitt in Erlangen auf Maik Machulla. Hautnah erlebte der TV-Zuschauer, wie es im Trainer arbeitete.
Man sah ihn mit seinen Spielern leiden, mit Jim Gottfridsson und Göran Sögard, die humpelnd das Spiel lenkten. „Das macht was mit dir“, sagt Machulla.
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Urlaub und Regeneration verdient
Er sehe beim Blick in den Spiegel, wie er in seinen vier Jahren als Cheftrainer älter geworden sei, bekannte Machulla Ende Mai anlässlich seines 200. Spiels in dieser Funktion. „Egal. Ich weiß ja: Wenn ich erst Sonne kriege, werde ich wieder gut aussehen.“ Der 44-Jährige hat sich Urlaub und Regeneration genauso verdient wie seine Spieler.
Das Drama in Erlangen stand sinnbildlich für eine ganze Spielzeit mit manchmal unmenschlichen Herausforderungen. Zu Recht stellt Machulla fest:
Titel fehlt zur Krönung der Saison
Natürlich fehlt ein Titel als Krönung einer fast perfekten Saison mit jeweils nur zwei Niederlagen in der Bundesliga und in der Champions League. Was bei der SG dennoch auf der Habenseite steht, ist kaum zu toppen.
„Hat sich die Mannschaft weiterentwickelt, haben sich Spieler weiterentwickelt, hat unser System funktioniert? Alles kann man mit ja beantworten. Wir haben noch mehr Teamspirit. Magnus Röd ist unglaublich erwachsen geworden, Jim Gottfridsson hat jetzt endgültig Weltklasse-Format, Mads Mensah sprüht vor Spielfreude, Johannes Golla hat noch einen Sprung gemacht, auch für Simon Hald geht es nach oben“, zählt Machulla auf.
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Nicht zu vergessen: Zum zehnten Mal in Folge ist die SG für die Champions League qualifiziert, zum vierten Mal unter erschwerten Bedingungen, weil nur noch der Erste und der Zweite aus der Bundesliga teilnehmen dürfen.
Serie von schweren Verletzungen
Nie war der Trainerjob bei der SG komplexer als in den vergangenen zehn Monaten. Mancher hätte wohl aufgegeben und die Spielzeit früh abgehakt angesichts einer Serie von schweren Verletzungen, die den Kader immer weiter ausdünnten.
Improvisation war gefragt. Ohne Mensah, Hald, Heinl, Semper, Möller gegen den THW Kiel bestehen? Unmöglich. Oder? Machulla ließ die Abwehr gegen eine THW-Simulation üben: Magnus Jöndal spielte Sander Sagosen, Magnus Holpert gab den Domagoj Duvnjak. „Aus dem, was man hat, das Beste machen“, war das Leitmotiv des SG-Trainers. Am Ende stand ein überraschend souveräner Derbysieg.
Herausragende B-Noten für Kreativität
Immer wieder mussten sich die Spieler an taktische Justierungen gewöhnen oder ungewohnte Positionen besetzen. Magnus Röd als Innenverteidiger, Göran Sögard und Mads Mensah als Kreisläufer und immer mal wieder als Halbrechte, Hampus Wanne einmal gar in der Rückraummitte.
Wo andere einfach ihre breite Bank benutzten, verdienten sich Machulla und sein Co-Trainer Mark Bult herausragende B-Noten für Kreativität.
„Irgendwie ist alles möglich“, lautet eine Erkenntnis von Machulla aus der Spielzeit 20/21. Immer wieder staunte er über die Widerstandskraft seiner Spieler, dachte bisweilen aber auch:
Die Verletzungsserie wird noch Gegenstand der Analyse sein. „Stand jetzt weiß ich nicht, woran es lag. Das waren Unfälle, die im Handball passieren. Aber wir werden uns noch mehr Gedanken machen, wie das zu vermeiden ist“, sagt Machulla.
Keine Regeneration für Nationalspieler
Schon jetzt treiben ihn „riesengroße Sorgen“ beim Blick auf die nächsten Monate um. „Wir schieben das Problem nur weiter. Die Nationalspieler gehen ohne Regeneration, ohne Basics, die in der Vorbereitung gelegt werden, in die nächste Saison. Sie drehen dauerhaft im roten Bereich wie ein Ferrari, der immer nur 300 fährt“, sagt Machulla.
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Für Lasse Möller wird noch ein Ersatz verpflichtet, gern hätte der SG-Trainer Magnus Holpert behalten, aber für dessen Entwicklung sei es besser, wenn er in Minden mehr spielen kann.
Es bleibt ein schmaler Kader, für den Machulla aber einen Zugewinn an Qualität durch die Verpflichtungen von Kevin Möller, Anton Lindskog und Emil Jakobsen sieht: „Wenn wir komplett sind, können wir jede Mannschaft der Welt schlagen.“