Hinter Dierk Schmäschke liegen intensive Monate. Der Geschäftsführer der SG Flensburg-Handewitt musste mit seinem Geschäftsstellenteam die Auswirkungen der Pandemie bewältigen und den Spagat schaffen, den Handball-Spitzenclub auch für die Zukunft zu rüsten.
Die SG Flensburg-Handewitt hat die Saison unter Pandemiebedingungen offenbar wirtschaftlich gut überstanden. Dabei hieß es anfangs, dass man nicht sehr viele Geisterspiele verkraften könnte. Wie ist das nun doch gelungen?
Man konnte sich ausrechnen, was an Einnahmen wegbricht, wenn wir eine ganze Saison ohne Zuschauer spielen. Gerettet hat uns der große Rückhalt der Partner und Sponsoren. Die haben gesagt: Wenn ihr weiter stattfindet – wenigstens im TV –, dann stehen wir hinter euch. Das war sehr wichtig, um die Strukturen zu erhalten. Was in 30 Jahren gewachsen war, sollte nicht in einem Jahr kaputtgehen. Geholfen hat auch die Unterstützung des Bundes und des Landes. Und wir haben gelernt, mit Verzicht umzugehen. Wir haben durch Kurzarbeit und andere Maßnahmen gespart.
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Aber so kann es ja nicht mehr lange weitergehen.
Nein. Wir haben Verluste im Millionenbereich gemacht. Noch ein Jahr oder einen längeren Zeitraum unter diesen Bedingungen – da müsste man wohl wirklich pessimistisch sein. Deswegen hoffe ich, dass wir schnell zur Normalität zurückkommen.
Wie sieht es inzwischen bei den Gehältern aus?
Es gibt immer noch Einschränkungen. Man muss höchsten Respekt haben vor dem Verzicht, den die Spieler, aber auch die Mitarbeiter der Geschäftsstelle leisten. Ich hoffe, dass wir zu Beginn der neuen Saison weitere Schritte gehen können, wenn abzusehen ist, dass wir wieder mit mehr Zuschauern spielen können.
Eine große Befürchtung war, dass der Handball den Kontakt zum Publikum verliert. Deshalb wurden die Geistersaison und entgegen vieler Bedenken die WM durchgezogen. Hat es gewirkt?
Es ist besser gelaufen als gedacht. Wir hatten mit Johannes Golla einen Corona-Fall nach der WM. Wir hatten das ganze Jahr über Sorgen wegen der Nationalmannschaftstermine, bei denen sich vermehrt Infektionen ereignet haben. Aber es war gut, dass Handball im Fernsehen präsent war. Und wir haben viel getan, um zu unseren Fans Kontakt zu halten. Wir haben den ,Konter‘ verschickt, unsere Social-Media-Aktivitäten ausgeweitet, unsere Fans angeschrieben und viele Zuschriften beantwortet. Das Bedürfnis nach Handball war groß. Wir sind unseren Dauerkarteninhabern dankbar, dass sie uns die Treue gehalten haben. Wir hatten fast keine Abo-Kündigung.
Wann werden wieder Dauerkarten verkauft?
Wir müssen die Entwicklung der Pandemie abwarten. Ich gehe nicht davon aus, dass wir zu Saisonbeginn uneingeschränkt Zuschauer in die Halle lassen können. Daher werden wir zunächst nur Einzeltickets verkaufen, natürlich bevorzugt an Dauerkartenkunden. Wir machen 50 Prozent glücklich und 50 Prozent unglücklich. Wenn es wieder möglich ist, starten wir sofort den regulären Dauerkartenverkauf. Wahrscheinlich erst zur Rückrunde. Da gilt: Kein bisheriger Dauerkarteninhaber verliert bis dahin sein Vorkaufsrecht.
Welche Konsequenzen zieht die SG aus der Verletzungsserie sondergleichen in der Saison 2020/21?
Dass man eine Saison mit so vielen Verletzten so übersteht, ist eigentlich unmöglich. Das spricht umso mehr für die Leistungen des Trainerteams und der Mannschaft. Ich hoffe nicht, dass wir das nochmal so erleben. Das war wirklich extrem. Einen größeren Kader werden wir aber nicht haben.
Wie soll das gehen? Stand heute hat die SG in der nächsten Saison 14 Spieler inklusive Franz Semper, der aus der Rekonvaleszenz kommt und ohne Lasse Möller, der wohl die komplette Saison nicht zu Verfügung stehen wird.
Natürlich gehen wir nicht in die Saison ohne einen Ersatz für Lasse Möller. Da sind wir einer Lösung sehr nahe. Wir werden also 15, eventuell 16 Spieler haben. Mehr geht nicht. Wir können nicht 18 Spieler verpflichten, das ist wirtschaftlich nicht tragbar. Bei Franz Semper gehen wir davon aus, dass er wieder fit ist. Er möchte am liebsten jetzt schon spielen.
Das ist ja auch dringend erforderlich, um Magnus Röd zu entlasten.
Genau. Deshalb hoffen wir sehr, dass alle unsere Olympiateilnehmer gesund zurückkommen. Ob Magnus Röd und Göran Sögard mit nach Tokio fahren, ist in meinen Augen noch nicht sicher. Sie müssen ja auch selbst in sich hineinhören.
Wird der Möller-Ersatz für ein oder zwei Jahre verpflichtet?
Es werden wohl zwei. Es ist schwierig, jemanden nur für ein Jahr zu bekommen. Dann haben wir einen Rückraumspieler mehr und sind breiter aufgestellt, wenn Lasse Möller zurück ist.
Wie sehr erschwert die Situation die Personalplanungen? Wie verhalten sich Spielerberater und Vereine, die dank eines Mäzens nicht direkt auf operative Einnahmen angewiesen sind?
Jeder Verein musste seinen eigenen Weg finden. Wer sehr stark auf Zuschauereinnahmen angewiesen ist wie wir, den hat es etwas härter getroffen. Alle sind vorsichtiger geworden. Vereine, Spieler und Berater gehen noch überlegter an gewisse Sachen heran. Das sehen wir auch bei Clubs wie Paris und Barcelona. Ich kann nicht sehen, dass irgendwo die Situation ausgenutzt wurde.
In Aalborg wächst ein ambitionierter Player heran. Kann dort eine ernsthafte Konkurrenz entstehen, auch was Spielerverpflichtungen und die Akquise von Sponsoren angeht?
Das glaube ich nicht. Die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem dänischen Markt bleiben, ebenso die Unterschiede in der Qualität der Ligen. Aalborg kann ja nicht alle skandinavischen Spieler verpflichten. Und sie müssen erstmal zeigen, dass sie mit der neuen finanziellen Stärke klarkommen. Das ist keine Garantie, dass man jedes Spiel gewinnt.
Der Verein soll ein Auge auf Mads Mensah geworfen haben, dessen Vertrag 2022 ausläuft. Wie ist der Stand der Dinge?
Da bin ich entspannt. Mads Mensah fühlt sich hier sehr wohl. Er passt zu uns und umgekehrt. Ich gehe davon aus, dass er über 2022 hinaus bleibt.
Auch Hampus Wanne, Kapitän Lasse Svan und Franz Semper sind nur noch bis 2022 gebunden.
Bei Franz Semper bin ich mir ziemlich sicher, dass er bleibt. Er sagt selbst, dass er hier noch nicht fertig ist. Hampus Wanne hat sich herausragend entwickelt. Wir versuchen, ihn zu halten.
Und Svan? Die Gerüchte halten sich, dass Johan Hansen aus Hannover als Nachfolger bereitsteht.
Lasse Svan ist ein Phänomen. Aber irgendwann muss man darüber nachdenken, wann eine Mannschaft auf bestimmten Positionen verjüngt werden muss. Sollte Lasse gehen, haben wir einen Kandidaten im Auge.
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Denken wir noch ein Jahr weiter. Maik Machulla hat bis 2023 Vertrag und ist ein begehrter Trainer.
Maik Machulla ist ein Pfund, das wir haben. Das ist eine ganz wichtige Personalie – vielleicht die wichtigste. Er fühlt sich wohl in Flensburg und passt zur SG. Wir wollen nicht zu lange warten, seinen Vertrag zu verlängern.
Vor Corona waren sehr frühzeitige Vertragsgespräche nötig, mitunter mehr als zwei Jahre im Voraus. Wie hat sich das entwickelt?
Der Druck ist nicht mehr ganz so groß, weil alle Vereine mehr über ihre finanzielle Situation nachdenken müssen. Gut ist, dass die Spieler sich bei uns wohlfühlen, wissen, dass wir gut aufgestellt sind und einen Trainer haben, mit dem sie zusammenarbeiten möchten. Dazu sagen die Spieler selbst, dass es ein Unterschied ist, ob man bei Verein X spielt oder bei der SG. Wir gehen in die 27. internationale Saison in Folge. Das spricht sich rum.
Wie ist die SG bei der Verpflichtung der drei neuen Spieler vorgegangen?
Zu Kevin Möller und Emil Jakobsen hatten wir schon vor Corona Kontakt. Den beiden und auch Anton Lindskog haben wir konkrete Angebote gemacht – immer mit dem Hinweis, dass Corona wieder Probleme bereiten könnte. Alles andere wäre nicht seriös.
Wie sind die Neuen einzuordnen?
Mit Anton Lindskog haben wir einen starken weiteren Mann im Mittelblock. Emil Jakobsen ist ein junger Linksaußen. Perspektivisch haben wir mit ihm eine sehr gute Entscheidung getroffen. Kevin Möller kennt den Verein. Er kommt als Champions-League-Sieger und bringt viel Erfahrung mit.
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Und einen anderen Anspruch als in seiner ersten Flensburger Zeit, als Mattias Andersson die klare Nummer 1 war, oder nicht?
Das ist auch berechtigt. Benjamin Buric und Kevin Möller haben beide den Anspruch, Nummer eins zu sein. Am Ende entscheidet die Leistung. Damit müssen sie klarkommen.
Kürzlich wurden Sie als Vizepräsident der Vereinsgemeinschaft Forum Club Handball bestätigt. Was ist in den kommenden Jahren zu erwarten?
IHF-Präsident Hassan Moustafa erkennt unsere Arbeit inzwischen an und will enger mit den Clubs zusammenarbeiten. Dinge wie Terminfragen und Abstellgebühren betrachtet er jetzt mit anderen Augen. Außerdem gehen wir als Forum Club Handball jetzt in die USA und versuchen gemeinsam mit EHF und IHF, unseren Sport dort weiterzuentwickeln. In China hat das nicht so richtig geklappt.