Elf Jahre nach ihrem größten Erfolg hat die TBV Lemgo Lippe eine phänomenale Woche gekrönt: Die Lipper gewannen zum vierten Mal den deutschen Handball-Pokal.
Im Finale der DHB-Endrunde in Hamburg besiegte die Mannschaft von Trainer Florian Kehrmann die MT Melsungen mit 28:24 (15:12) und nahm dafür die 3,5 Kilogramm schwere und 20.000 Euro teure Trophäe von DHB-Präsident Andreas Michelmann und HBL-Präsident Uwe Schwenker in Empfang. Der zurückliegende größte Erfolg des zweimaligen deutschen Meisters datiert von 2010: Damals gewann der TBV den EHF-Pokal.
Ticket für European League
Der Pokal-Sieg nun ist erneut die Eintrittskarte fürs internationale Geschäft. Die Lemgoer dürfen in der nächsten Saison an der European League teilnehmen, obwohl sie der Gewinner des Pokal-Wettbewerbs von 2020 sind. Wegen der Corona-Pandemie war das Finalturnier um ein Jahr verschoben worden.
Ein Profi aus dem Siegerteam hatte schon vor 20 Monaten den Triumph von Hamburg vorhergesagt. „Ihr haltet mich alle für bescheuert: Aber ich habe das schon gesagt nach der Auslosung im Oktober 2019“, beteuerte Christoph Theuerkauf im Pay-TV-Sender Sky. Der 36-Jährige, der eigentlich Nachwuchskoordinator beim TBV ist, nur sporadisch zu Einsätzen kommt und im Endspiel drei Tore erzielte, meinte: „Glaube versetzt Berge.“
Am Vortag waren die Lemgoer durch einen geradezu sensationellen 29:28-Erfolg über Titelhamster und Liga-Krösus THW Kiel völlig überraschend ins Finale gestürmt und anschließend komplett aus dem Häuschen. Melsungen hatte sich mit einem 27:24 im Halbfinale über die TSV Hannover-Burgdorf für das Endspiel qualifiziert.
Wechselhafte Partie
2000 Zuschauer in der Barclaycard-Arena sahen ein abwechslungsreiches Finale, in dem Melsungen als Bundesliga-Achter und Lemgo als Elfter sich nichts schenkten. Nach gutem Start des TBV übernahmen die Melsunger das Kommando. Vor allem Spiellenker Kai Häfner und Tobias Reichmann setzten Akzente. Zweimal zogen die Hessen mit drei Toren in Front. Doch Lemgo machte es wie am Vorabend gegen Kiel und holte den Rückstand unbeeindruckt auf. Wenige Minuten später lag das Team aus der Region Westfalen-Lippe seinerseits mit drei Toren vorn. „Das war das Momentum“, betonte Lemgos Trainer Florian Kehrmann.
Der Coach, der sowohl als Spieler als auch als Trainer den Pokal mit dem TBV holte, hatte am Abend zuvor vermutlich mehr zu tun als während der Partie. Nach dem unglaublichen Sieg gegen Topfavorit Kiel musste er sein außer Rand und Band geratenes Team wieder einfangen und auf den Boden der Realitäten zurückzuholen. Das gelang. Gegen die MT dominierte seine Mannschaft nach der Pause deutlich. Dabei raubte Finn Zecher im Tor den Melsungern mit elf Paraden den Nerv. „Ich bin geflasht von der Mannschaftsleistung“, bekannte Kehrmann. „Es fällt eine Menge Druck ab. Ich bin stolz, was die Jungs geleistet haben.“
Melsungen vergibt große Chance
Die wendigen Lemgoer düpierten den Rivalen häufig mit quirligen Attacken und profitierten von ihren schnellen Aktionen. Die MT, die seit 2005 ununterbrochen in der Bundesliga spielt und sich noch nie mit einer Trophäe belohnen konnte, hat ihre vielleicht größte Chance vergeben. Die Mannschaft von Trainer Gudmundur Gudmundsson schien mit zunehmender Spieldauer nicht mehr an eine Wende zu glauben. „Unser Angriff war nicht gut genug. Wir haben den Weg zum Tor nicht gefunden“, sagte der Isländer. Torhüter Silvio Heinevetter litt nach Abpfiff sichtlich. „Ich bin unfassbar traurig, ein bisschen leer“, meinte er.
Die Lemgoer waren da schon bei den Party-Planungen. „Ich hoffe, wir haben genauso viele Staus wie auf dem Hinweg. Da haben wir fünf Stunden gebraucht“, berichtete Kehrmann. Die Zeit wird wohl reichen für das eine oder andere Bier.