Alfred Gislason sehnt den Showdown der deutschen Handballer um die Olympia-Tickets förmlich herbei. „Ich zähle schon seit Wochen die Tage herunter, dass wir loslegen können. Ich freue mich auf die Aufgabe, die auf uns zukommt“, sagte der Bundestrainer.
Druck empfindet der 61 Jahre alte Isländer vor dem Qualifikationsturnier von Freitag bis Sonntag in Berlin, bei dem zwei Fahrkarten zu den Sommerspielen vergeben werden, nicht. „Ich gehe damit schon fast mein ganzes Leben um. Man genießt das auch mit der Zeit“, sagte Gislason.
Nach der verpatzten Weltmeisterschaft mit Platz zwölf – dem schlechtsten Ergebnis in der Verbandsgeschichte – will Gislason mit der DHB-Auswahl gegen den WM-Zweiten Schweden, den EM-Vierten Slowenien und Algerien unbedingt die Tokio-Qualifikation schaffen. „Wir wissen alle, dass es schwierig wird. Wir müssen sehr gut spielen. Aber ich habe sehr viel Vertrauen in die Mannschaft, dass wir das auch machen können. Ich merke, dass die Mannschaft sehr, sehr motiviert ist, diese schwere Aufgabe anzugehen“, sagte der Bundestrainer. „Olympia ist das Größte für jeden Sportler. Man muss sich das verdienen, dort hinzukommen, und das wollen wir tun.“
Dafür muss sich das 19-köpfige DHB-Team in den kommenden Tagen voll ins Zeug legen – auch wenn Gislason das Training variieren wird. „Die Spieler kommen aus sehr unterschiedlichen Belastungen. Einige haben sehr viele Spiele in den Knochen, andere in den vergangenen 14 Tagen nur ein, zwei Spiele absolviert“, sagte Gislason.
Zu den stark beanspruchten Spielern gehören die Rückkehrer Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek und Steffen Weinhold vom THW Kiel, die mit dem Rekordmeister sieben Partien in 13 Tagen absolvieren mussten. „Alfred achtet darauf, dass wir es locker angehen“, berichtete Wiencek.
Der Bundestrainer ist froh, das routinierte Trio nach dessen freiwilligen WM-Verzicht wieder an Bord zu haben. Nicht nur Gislason erhofft sich davon mehr Stabilität in der Abwehr, zumal die Abläufe für die drei Leistungsträger nicht neu sind. „Ich habe ewig mit ihnen zusammengearbeitet. Was wir in der Nationalmannschaft taktisch neu gemacht haben, das kennen sie alle, weil wir es in Kiel schon jahrelang gespielt haben“, sagte der frühere Erfolgscoach des THW. „Sie brauchen keine Eingewöhnungszeit.“
Vor allen mit Pekeler – Deutschlands Handballer des Jahres – kehrt ein Führungsspieler in den Kader zurück, der bei der WM schmerzlich vermisst wurde. Der 29-Jährige richtete zum Start in die Woche der Wahrheit auch gleich klare Worte an die Mannschaft. „Solange sich die Spieler nicht weiterentwickeln und aus ihrer Komfortzone rauskommen, wird es auch Alfred schwer haben“, sagte Pekeler in einem Interview der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Montag). „Jetzt haben wir drei Spiele über 60 Minuten, wenn du zwei gewinnst, bist du höchstwahrscheinlich bei Olympia dabei. Wenn das kein greifbares Ziel ist, aus der Komfortzone rauszukommen, weiß ich auch nicht.“
Für die Zukunft wünscht sich Pekeler zudem, „dass unsere Rückraumspieler den Mut haben, mal zu einem Champions-League-Verein zu gehen und alle drei Tage Spiele zu machen, auch auf einem internationalen Top-Niveau. Das würde uns als Mannschaft enorm weiterbringen.“
Das wäre auch im Sinne des Bundestrainers. „Ich teile seine Meinung voll und ganz“, sagte Gislason. „Im Vergleich zu den anderen Mannschaften haben wir deutlich weniger Nationalspieler, die mit ihren Vereinen in der Champions League spielen.“ In Berlin soll sich das aber nicht als Nachteil erweisen. „Wir wollen die Olympia-Qualifikation schaffen“, betonte Wiencek. „Dafür wird sich jeder motivieren.“