In seiner langen Karriere hat Johannes Bitter fast alles erlebt, doch die Absage eines WM-Spiels wäre auch für den erfahrenen Torwart der deutschen Handballer neu.
Nach dem lockeren Turnierstart gegen Uruguay (43:14) droht die nächste Partie gegen Kap Verde am Sonntag (18.00 Uhr/ARD) wegen erneuter Corona-Fälle bei den Afrikanern auszufallen. Erneut wurden zwei weitere Spieler von Kap Verde positiv getestet, nachdem die Mannschaft trotz aller Corona-Probleme am Freitagabend bereits ihr WM-Auftaktspiel in Gizeh gegen Ungarn (27:34) bestritten hatte. Bitter hatte sich schon vor den Testergebnissen große Sorgen gemacht.
„Ein Spiel gegen diese Mannschaft ist immer mit einem Risiko verbunden“, sagte er noch am Samstagmorgen. „Ich gehe nicht mit einem guten Gefühl aufs Feld.“ Nun muss er wahrscheinlich gar nicht spielen. Da den Afrikanern nach den weiteren Corona-Fällen aktuell nur noch neun Spieler zur Verfügung stehen, dürften sie laut der Regularien des Weltverbandes IHF nicht antreten. In diesem Fall würde das Spiel mit 10:0 für die deutsche Mannschaft gewertet. Theoretisch könnte Kap Verde aber noch Spieler aus dem erweiterten Kader nach Ägypten reisen lassen. Diese müssten jedoch so schnell ankommen, dass sie noch vor dem Spiel einen Corona-Test machen könnten.
„Momentan ist es eine klare Empfehlung an die Mannschaft, dass sie jetzt nicht irgendwelche Versuche machen sollten, die noch fehlenden Personen aus dem erweiterten Kader hierher zu holen“, sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer. „Das Spiel gegen uns ist kaum zu verwirklichen.“ Am Sonntagmorgen will sich die Turnierleitung zusammensetzen, um über die Situation zu beraten. Möglich ist auch, dass die Afrikaner sich bereits vorzeitig freiwillig vom Turnier zurückziehen oder das Spiel gegen Deutschland ausfallen lassen, um dann für das abschließende Vorrundenspiel gegen Uruguay am Dienstag zwei Spieler nachzunominieren.
Schon nach der Ankunft in Ägypten waren vier Akteure positiv getestet worden. Doch weil die Tests bei allen anderen Spielern anschließend negativ ausfielen, konnte Kap Verde am Freitagabend gegen Ungarn mit einem Rumpfteam auflaufen. Mittlerweile wohnt Kap Verde auch im selben Hotel wie die deutsche Mannschaft. „Man muss sich generell fragen, ob man das jetzt in Kauf nehmen kann, ob man das Spiel spielen lässt“, sagte Rückraumspieler Juri Knorr.
Bitter und Knorr wissen genau, wie schnell man sich mit dem Virus anstecken kann. Beide gehörten zu den deutschen Nationalspielern, die sich im November auf einer Länderspielreise mit Corona infiziert hatten. Bitter vermutet, dass er sich das Virus am 5. November im EM-Qualifikationsspiel gegen Bosnien-Herzegowina geholt hat.
Damals waren die Bosnier nach mehreren Corona-Fällen ebenfalls mit einem dezimierten Kader gegen Deutschland angetreten, kurz nach dem Spiel trat dann jedoch wieder ein positiver Fall im Team auf. Und wenig später wurden auch Bitter, Knorr und zwei weitere deutsche Spieler positiv getestet.
„Ich habe einfach die Erfahrung gemacht, dass was passieren kann in so einem Spiel, darum sehe ich das mit anderen Augen“, sagte Bitter. Knorr sprach davon, dass er nach einem schweren Krankheitsverlauf zwar Antikörper gebildet habe, aber dennoch ein „mulmiges Gefühl“ bleibe. „Denn ich weiß nicht, ob es vielleicht eine mutierte Version des Virus ist und ich mich vielleicht doch wieder anstecken kann.“
Zumindest dem Risiko Kap Verde kann die DHB-Auswahl nun wohl aus dem Weg gehen. Obwohl nicht alle Spieler sich große Sorgen gemacht haben. Anders als Bitter möchte Rechtsaußen Timo Kastening das Corona-Thema so gut wie möglich ausblenden. „Stand jetzt spielen wir morgen gegen Kap Verde, und das ist ein Handballspiel, das gewonnen werden muss“, sagte der 25-Jährige. Vor dem abschließenden Vorrundenspiel gegen Ungarn am nächsten Dienstag ist ein Sieg fest eingeplant. Aber gewinnen würde die deutsche Mannschaft auch, wenn das Spiel ausfällt.