Andreas Wolff wäre nach der verheißungsvollen WM-Generalprobe der deutschen Handballer am liebsten sofort in den Flieger nach Ägypten geklettert.
„Ich habe sehr viel Bock auf das Turnier. Es ist immer eine Ehre, für Deutschland zu spielen“, sagte der Weltklasse-Torwart voller Vorfreude auf die am Mittwoch beginnende XXL-Endrunde mit erstmals 32 Mannschaften. „Ich hoffe bei der Weltmeisterschaft auf ein fantastisches Ergebnis.“
Die Personalprobleme, die durch Wolffs Kritik an der WM-Absage einiger Teamkollegen ausgelöste Unruhe und nicht zuletzt die Sorgen um die Gesundheit in unsicheren Corona-Zeiten – all das will die deutsche Mannschaft hinter sich lassen, wenn sie am Dienstagvormittag von Düsseldorf nach Kairo abhebt. „Wir wollen mit den Spielern, die da sind, das Bestmögliche erreichen. Eine deutsche Mannschaft muss immer den Anspruch haben, sich in die K.o.-Phase eines Turniers zu spielen“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning der Deutschen Presse-Agentur. Wenn das Team bereit sei, die nominellen Nachteile mit Leidenschaft auszugleichen, sei sogar das Halbfinale drin.
Auch Bundestrainer Alfred Gislason gab sich deutlich zuversichtlicher als noch vor einer Woche. „Ich bin mit der Vorbereitung sehr zufrieden. Die Mannschaft hat überragend mitgemacht und alle Ideen schnell verinnerlicht“, lobte er nach dem souveränen 34:20-Sieg im letzten WM-Test gegen Österreich, durch den vorzeitig das Ticket für die EM 2022 gelöst wurde. „Wir sind ein deutliches Stück weitergekommen.“
Dieses gute Gefühl nimmt die nach neun Absagen neu formierte DHB-Auswahl mit an den Nil, wo sie in der Vorrunde in Gizeh auf Uruguay, Kap Verde und Ungarn trifft. „Nach den ersten Trainingstagen hatte ich ein paar Sorgenfalten mehr auf der Stirn“, berichtete Kapitän Uwe Gensheimer. „Aber wir haben uns von Tag zu Tag gesteigert und sind hoffentlich noch nicht am Ende.“
Insbesondere die Abwehr, die Gislason nach dem freiwilligen WM-Verzicht von Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek, Steffen Weinhold und Finn Lemke als größte Baustelle ausgemacht hatte, funktionierte am Sonntagabend in Köln teilweise hervorragend. „Was die Jungs in der ersten Halbzeit geleistet haben, war außergewöhnlich. Fantastisch“, lobte der bärenstarke Wolff seine Vorderleute. „Das hätte jede Mannschaft der Welt vor Probleme gestellt.“
Vor allem der Innenblock mit Sebastian Firnhaber und Johannes Golla überzeugte und ließ auch bei Gislason die Hoffnung keimen, bei der WM bestehen zu können. „Wir wollten eine aggressive 6:0-Deckung stellen, das ist uns in der ersten Halbzeit gut gelungen. Auch das 5:1-System hat funktioniert“, analysierte der 61 Jahre alte Isländer. Und Firnhaber erklärte: „Wenn wir die Intensität beibehalten, kann etwas Cooles entstehen.“
Dahinter glänzte Wolff, der in der Vorwoche wegen seiner kritischen Äußerungen über die freiwilligen WM-Absagen einiger Teamkollegen aus familiären Gründen selbst in die Kritik geraten war. „Andi hat einen überragenden Tag gehabt“, lobte Gislason den Keeper vom polnischen Topteam Vive Kielce.
Wolff selbst war nach dem Österreich-Spiel darum bemüht, einen Schlussstrich unter die von ihm ausgelöste Debatte zu ziehen. „Absagen sind kein Thema bei der Weltmeisterschaft, wir müssen nach vorne schauen. Es war kein Thema und wird auch keines sein“, betonte der 29-Jährige am Sonntagabend. Zuvor hatte er in der Angelegenheit jedoch noch einmal nachgelegt. „Ich bin kein Familienvater, da kann ich mich nicht hineinversetzen, aber Familienväter aus anderen Ländern nehmen auch teil“, sagte Wolff in einem am Montag veröffentlichten Interview des „Kicker“.
Das alles ist nun Geschichte – genauso wie der Plan der Ausrichter, die WM mit Zuschauern auszutragen. Nach einem Gespräch zwischen IHF-Präsident Hassan Moustafa und dem ägyptischen Premierminister Mostafa Madbouly sowie weiteren hochrangigen Regierungsvertretern des nordafrikanischen Landes wurde das geplante Zuschauerkonzept mit einer Auslastung von 20 Prozent der Hallenkapazitäten auf Drängen von Europas Top-Nationen endgültig verworfen. „Das ist eine sehr gute Nachricht für den Handball-Sport und seine Außenwirkung in den nächsten Wochen“, sagte Torwart-Oldie Johannes Bitter.
Auch Gislason war erleichtert. Er kann sich nun ganz auf die Arbeit mit dem Team konzentrieren und auf seine WM-Premiere als Bundestrainer freuen: „Ich hoffe, dass wir wie immer eine Turniermannschaft sind und uns von Spiel zu Spiel steigern.“