Die jüngere Beziehung zwischen Uwe Gensheimer und der Handball-Nationalmannschaft ist nicht immer eine leichte gewesen.
Kurz vor der Europameisterschaft 2016 etwa hatte der Kapitän seine Teilnahme verletzungsbedingt absagen müssen. Anschließend verfolgte er von der Tribüne, wie die junge Mannschaft ohne ihn sensationell den Titel holte.
Bei der WM 2017 war für ihn und die Mannschaft genauso sensationell schon im Achtelfinale Schluss, und bei den folgenden Europameisterschaften konnte Gensheimer nicht durchweg mit seiner unbestrittenen Klasse vorangehen. Nicht nur deshalb steht der 34-Jährige kurz vor der WM in Ägypten vor einer besonderen Herausforderung.
„Er ist ein extrem wichtiger Spieler durch seine Qualität auf Linksaußen, aber auch durch seine Führungsqualitäten“, sagt Bundestrainer Alfred Gislason. Gensheimer führt beim Turnier vom 13. bis 31. Januar eine Mannschaft an, die in dieser Form noch nie zusammengespielt hat. Er ist eine der wenigen verbliebenen Konstanten. Dabei ist auch für ihn selbst in diesem Jahr vieles neu: Die Fragezeichen aufgrund der Corona-Situation, die Absagen etlicher Stammkräfte und auch die ungewöhnliche Turniervorbereitung. Denn bevor die DHB-Auswahl nächste Woche nach Kairo fliegt, muss sie erst noch zwei EM-Qualifikationsspiele gegen Österreich bestreiten.
Am 6. Januar (13.45 Uhr/ZDF) tritt Gislasons Team zunächst in Graz an, am 10. des Monats (18.10 Uhr/ARD) folgt das Rückspiel in Köln. Das Ziel ist das Ticket für die EM-Endrunde 2022 in Ungarn und der Slowakei. Es bleibt den Debütanten im DHB-Team also kaum Zeit, sich in Ruhe auf die bevorstehende Weltmeisterschaft in Ägypten vorzubereiten. Auch deshalb führt Kapitän Gensheimer im Vorbereitungscamp der Nationalmannschaft in Neuss derzeit wohl ein paar mehr Gespräche als sonst. „Ich habe auch den Jungs nochmal gesagt: ‚Jeder, der hier ist, darf Fehler machen’“, erzählt er. „Wir müssen die Zeit nutzen, um Sicherheit reinzubekommen.“
Der Profi der Rhein-Neckar Löwen führt die Mannschaft nicht wie ein Lautsprecher, sondern mithilfe all seiner Erfahrung. Es verwundert nicht, dass Gislason seinem Kapitän öffentlich den Rücken stärkt. Denn nicht nur der Isländer weiß, wozu Gensheimer in der Lage ist. An guten Tagen kann der gebürtige Mannheimer seine Mannschaften praktisch im Alleingang zum Sieg werfen. Mit seinen bislang 87 Treffern zählt Gensheimer zu den besten Torschützen der Bundesliga. Und vielleicht ist es auch das Wissen um die eigene Stärke, das dem Ausnahmehandballer manchmal zum Verhängnis wird.
Gensheimer mache sich persönlich „sehr viel Druck, weil er natürlich erfolgreich für die Mannschaft vorne weggehen möchte“, sagte Ex-Bundestrainer Christian Prokop vor einem Jahr nach schwachen Vorrundenleistungen seines Kapitäns bei der EM in Trondheim. In diesem Jahr könnten die Augen noch stärker auf ihn gerichtet sein, weil andere Führungskräfte wie die Defensivspezialisten Hendrik Pekeler oder Patrick Wiencek in Ägypten fehlen werden.
„Ich hoffe natürlich, dass er gesund bleibt und frei aufspielen kann“, sagt Bundestrainer Gislason. Der 61-Jährige setzt nicht nur auf seine Abschlussqualitäten, Gensheimer könnte für ihn auch zur Lösung seiner Abwehrprobleme beitragen. Neben all seiner Tore hat Gensheimer nämlich „im Verein phasenweise auf Halbposition gedeckt“, berichtete Gislason. „Das wäre natürlich auch eine wichtige Sache, wenn er das stabilisieren kann bei uns.“