Nach der kurzen Atempause zum Jahreswechsel versammelte Alfred Gislason voller Power und Enthusiasmus seine 20 Auserwählten für die schwierige WM-Mission.
Die Vorfreude auf sein erstes Turnier als Handball-Bundestrainer will sich der 61-Jährige weder von der Corona-Krise noch den Personalproblemen nach acht prominenten Absagen trüben lassen. „Wir werden dorthin gehen mit allem, was wir haben, und ich hoffe, dass wir das so entwickeln können, dass die Jungs Spaß haben“, sagte Gislason zum Start der Vorbereitung in Neuss.
Viel Zeit bleibt dem Isländer vor der XXL-Endrunde mit erstmals 32 Mannschaften vom 13. bis 31. Januar in Ägypten nicht, denn zuvor stehen auch noch die beiden EM-Qualifikationsspiele gegen Österreich am Mittwoch in Graz und am kommenden Sonntag in Köln an. „Ich muss wie jeder Nationaltrainer in diesen Zeiten nur noch Abstriche machen. Ich bräuchte eigentlich minimal zwei Wochen für die Vorbereitung, jetzt habe ich nur drei, vier Trainingseinheiten“, sagte Gislason.
Seine Schützlinge wissen, was auf sie zukommt. „Die Mannschaft ist ganz neu zusammengestellt – da wartet richtig viel Arbeit auf uns“, sagte Torwart-Oldie Johannes Bitter. Kapitän Uwe Gensheimer erwartet, dass Gislason „viele neue Dinge in kurzer Zeit einbringen möchte. Das wird keine einfache Aufgabe, aber alle Jungs müssen sich so vorbereiten, dass man nicht so viel Zeit in der Halle verbringen muss.“
Die größte Baustelle ist die Abwehr, fehlt nach dem freiwilligen Verzicht der Kieler Champions-League-Sieger Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek sowie von Melsungens Finn Lemke doch der komplette Innenblock, der im Welt-Handball geachtet und gefürchtet ist. „Da ist etwas weggebrochen, was den Gegnern weltweit Respekt eingeflößt hat“, sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer.
Mit dem Flensburger Johannes Golla und Neuling Sebastian Firnhaber vom HC Erlangen stehen nur zwei Spieler im Kader, die in der Bundesliga regelmäßig im Defensivzentrum spielen. „Eine funktionierende Abwehr ist das Erste, was wir hinbekommen müssen“, betonte Gislason. „Danach werden wir die verbleibenden Tage bis zur WM für einige angriffstaktische Dinge nutzen. Aber bis wir dahin kommen, wo ich mit der Mannschaft hin möchte, ist es ein sehr weiter Weg.“
Die Spieler wollen sich dabei voll reinhängen. „Ich habe richtig Bock auf diese WM“, sagte Regisseur Philipp Weber vom SC DHfK Leipzig. „Für mich war es relativ schnell klar, dass ich dieses Turnier spielen möchte, und da lege ich nun den vollen Fokus drauf.“
Trotz der vielen Probleme glaubt Gislason an die Mannschaft. „Wir haben eine Mischung aus jungen, unerfahrenen Talenten und gestandenen Spielern, die über sehr viel internationale Erfahrung verfügen. Natürlich fehlen uns einige Akteure, aber im Angriff haben wir dennoch eine hohe Qualität“, sagte der Bundestrainer.
Eine Medaille will er öffentlich zwar nicht als Ziel ausgeben, die DHB-Auswahl von vornherein abschreiben aber auch nicht. „Lasst uns doch erstmal trainieren und spielen“, sagte Gislason. Zwar hätten Top-Nationen wie Titelverteidiger Dänemark, Europameister Spanien, Kroatien oder Norwegen deutlich bessere Karten im Kampf um Edelmetall. „Aber wir sind Deutschland!“