Klare Worte hat Henk Groener noch nie gescheut. Wenn dem Trainer der deutschen Handballerinnen etwas nicht gefällt, dann spricht er es deutlich an.
Während eines der schwachen Vorrundenspiele seiner Mannschaft bei der Europameisterschaft in Dänemark bescheinigte der 60-Jährige seinem Team „Alibi-Bewegungen“ im Angriff. Die bislang größtenteils ernüchternden Auftritte der DHB-Auswahl setzen dem Niederländer trotz der Qualifikation für die Hauptrunde spürbar zu. Seine Laune wurde auch nicht besser, als der Hauptrundenspielplan mit drei Spielen innerhalb von vier Tagen veröffentlicht wurde. „Das ist ein Witz“, ärgerte sich der Bundestrainer.
Viel lächeln sah man Groener in diesem Dezember bislang nicht. Erst verpasste er den Auftaktsieg seiner Mannschaft gegen Rumänien, weil er nach einer Corona-Infektion noch nicht hatte anreisen dürfen. Beim ersten Spiel nach seiner Rückkehr in die Halle erlebte er beim 23:42 gegen Norwegen dann ein historisches Debakel. Noch nie hat eine deutsche Mannschaft bei einer EM höher verloren, nie kassierte sie mehr Gegentore. Anschließend zitterte sich die DHB-Auswahl dank eines 21:21 gegen Polen in die Hauptrunde. Für Groener bleibt aber kaum Trainingszeit, um die Fehler der DHB-Auswahl zu beheben. Der Coach erlebt gerade seine wohl komplizierteste Phase als Bundestrainer.
Als Groener Anfang 2018 seinen Job beim Deutschen Handballbund (DHB) antrat, war die Erwartungshaltung an ihn zunächst vergleichsweise gering. Nach dem zwölften Platz bei der misslungenen Heim-WM kurz zuvor sollte Groener einen Umbruch moderieren. Zahlreiche routinierte Spielerinnen und einstige Stützen traten aus dem Nationalteam zurück. Groener gelang es, mit einem unerfahrenen Team die Wende einzuleiten. Bei der EM 2018 erreichte seine junge Mannschaft immerhin den zehnten Platz, bei der Weltmeisterschaft ein Jahr später verpasste sie nur knapp das Halbfinale. Die Richtung war jedenfalls klar: Es ging wieder aufwärts.
Doch dann kam Corona und es folgten viele verlorene Monate für den Coach und seine Spielerinnen. „Wir tun uns schwer, unser Leistungsniveau abzurufen, das wir auch von uns erwarten“, sagte Groener zuletzt. Eine gezielte Vorbereitung auf die EM fiel praktisch aus, nicht mal Testspiele konnte die DHB-Auswahl absolvieren. „Es fehlt einfach vielen Spielerinnen an einer festen Spielpraxis.“ Es fällt Groener nicht leicht, damit umzugehen. Einerseits erwartet er mehr von seiner Mannschaft. Andererseits weiß er um die Pandemie, die nicht nur den Handball durcheinandergewirbelt hat.
Bislang war es unter ihm konstant bergauf gegangen. Doch nun scheint er mit seinem Team einen Schritt zurückmachen zu müssen. „Kontinuität ist der Schlüssel für internationale Klasse“, hatte DHB-Präsident Andreas Michelmann vor einem Jahr bei der Verlängerung von Groeners Vertrag bis zum 31. Dezember 2021 gesagt. Diese Kontinuität fehlt derzeit. Und das beschäftigt vor dem Start in die Hauptrunde am Samstag gegen Ungarn niemanden mehr als den Bundestrainer.