Immer größere Kritik am geplanten WM-Turnier in Ägypten

Die Diskussion um die Handball-Weltmeisterschaft in Ägypten wird schärfer. Die ersten Stars haben sich gegen die Austragung des vom 13. bis 30 Januar geplanten Turniers positioniert. Auch Boy Meesenburg, Chef der SG Flensburg-Handewitt, erneuerte seine Forderung nach einer Verschiebung als „Signal der Vernunft“.

Nach seinem Kieler Teamkollegen Hendrik Pekeler hat Patrick Wiencek als nächster deutscher Nationalspieler seinen Standpunkt dargelegt. „Wenn meine persönliche Meinung zählen würde, dann würde ich natürlich die WM nicht spielen“, sagte der THW-Kreisläufer der ARD. „Es gibt nichts Wichtigeres als die Gesundheit.“

„Hölle Nord“-Podcast: Boy Meesenburg: „Die Ungewissheit ist das Schlimmste“

Unterschiedliche Ansichten

Die Welthandballer Domagoj Duvnjak vom THW Kiel und Aron Palmarsson vom FC Barcelona äußerten sich im Handball-Podcast „Kreis ab“ ähnlich. „Das ist zu gefährlich“, meint der kroatische Kapitän Duvnjak, während der Isländer Palmarsson die Ausrichtung generell als unpassend empfindet:

 

DHB-Kapitän Uwe Gensheimer hingegen hatte am Rande der Partie Rhein-Neckar Löwen – TBV Lemgo das Festhalten an der Ausrichtung der WM verteidigt – mit dem Hinweis auf die „Strahlkraft der Nationalmannschaft, um unsere Sportart zu repräsentieren“.

SG-Chef Boy Meesenburg hatte bereits im April unisono mit seinem Kieler Kollegen Marc Weinstock einen Verzicht auf die WM gefordert und dafür viel Kritik geerntet. Nun legt er neue Argumente nach: „In Zeiten, wo man sich nicht mit mehr als zwei Leuten treffen darf, macht eine WM mit 32 Mannschaften keinen guten Eindruck.“

Auf die Spieler hören

Zumal nicht nach den Erfahrungen mit vier infizierten Nationalspielern nach der EM-Qualifikation. „Ich mache dem DHB und der Nationalmannschaft keinen Vorwurf. Das Hygienekonzept war gut. Die Vorgänge zeigen nur, wie schwierig die Situation zu handhaben ist.“

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Meesenburg findet, man müsse auf die Spieler hören.

 

Wiencek hatte beklagt, dass die Protagonisten zu wenig Einfluss auf die Entscheidung haben. „Wir sind diejenigen, die auf der Platte stehen. Und wir werden leider in solche Gespräche nicht einbezogen, ob es sinnvoll ist oder nicht“, sagte der Kieler. Beim HBL-Chef Uwe Schwenker stößt er auf Verständnis: „Der DHB muss die Spieler einbeziehen. Wir können nicht über Köpfe hinweg entscheiden.“

Olympia eine größere Dimension

Meesenburg verwies auf den frühen Entschluss, die Olympischen Spiele zu verschieben, der eine weitaus größere Dimension gehabt hätte. „Da reden wir von Amateursportlern, die vier Jahre alles einem Ziel unterordnen, Studium oder Beruf hintenanstellen, um sich auf Olympia vorzubereiten. Im Handball geht es um Berufssportler, die sich auf eine EM oder WM nicht extra vorbereiten müssen. Das findet ja quasi im laufenden Betrieb statt“, sagt der Flensburger Unternehmer, der auch den Schlagmann des Deutschland-Achters, den Schweriner Hannes Ocik, unterstützt.

 

Natürlich hat der SG-Chef auch die Interessen der Vereine und eine möglichst stabile Fortführung der Bundesliga-Saison im Blick: „Wer trägt denn die Konsequenzen, wenn in Ägypten etwas passiert? Das sind die Spieler und die Vereine.“

Es geht ums Geld

Einer, dem wohl ein Zacken aus der Krone brechen würde, ist Hassan Moustafa, der Präsident des Weltverbandes IHF. Der Ägypter fabulierte in der ARD von „einer Million Zuschauer“ bei der WM in seiner Heimat. „Ich hoffe, dass wir das auch unter diesen Umständen hinkriegen.“

Da klingt es ziemlich befremdlich, wenn DHB-Vizepräsident Bob Hanning allen Ernstes sagt, dass im Januar „Ägypten der sicherste Ort sei, um Handball zu spielen“. Klar, es geht ums Geld. Rund 30 Millionen Euro allein an TV-Einnahmen stehen bei der IHF im Feuer, drei Millionen Euro erwartet der DHB als Profit aus der WM.

Schräge Hanning-Idee

Neben seinem Einsatz für die WM hatte Bob Hanning noch eine schräge Idee. Bei den Füchsen Berlin habe man wegen des Terminchaos durch Spielausfälle überlegt, mit zwei Teams anzutreten, eines für die Bundesliga und eines für europäische Wettbewerbe. Das sei ziemlich unbedacht, nachdem man gerade nach Staatshilfen gerufen habe, meint Meesenburg. Flensburg und Kiel könnten es sich jedenfalls nicht leisten, eine zweite Mannschaft aufzubauen – trotz der inzwischen angelaufenen Hilfen für die Proficlubs aus öffentlichen Mitteln.

Weitere kritische Stimme

Auch Steffen Weinhold von Handball-Rekordmeister THW Kiel hat sich kritisch über die Weltmeisterschaft geäußert. „Aus gesundheitlicher Sicht kann man schon die Frage stellen, ob so ein Turnier mit den momentanen Vorgaben der Regierungen und der weltweiten Infektionslage zusammenpasst“, sagte der 34-jährige Rückraumspieler den „Kieler Nachrichten“ am Dienstag.

Bundesliga statt WM

Weinhold betonte zudem die Wichtigkeit der nationalen Liga: „Natürlich ist die öffentliche Aufmerksamkeit, die die Nationalmannschaft und der Handball bei einer WM bekommen, extrem wichtig. Aber aus meiner persönlichen Sicht ist es auch extrem wichtig, die Bundesliga durchzubringen.“ Dies sei aus seiner Sicht wirtschaftlich wichtiger. Der Januar solle als Puffer genutzt werden, um Spiele nachzuholen oder vorzuziehen.

Der Linkshänder, der die Länderspiele gegen Bosnien-Herzegowina und Estland wegen eine Gehirnerschütterung verpasst hatte, hat sich nach eigener Aussage noch nicht entschieden, ob er im Falle einer Nominierung durch Bundestrainer Alfred Gislason an den Nil reisen würde.