Mannheim (dpa) – Uwe Gensheimer blickt der neuen Saison in der Handball-Bundesliga (HBL) mit gemischten Gefühlen entgegen. Beim Kapitän der Nationalmannschaft überwiegt zwar die Vorfreude.
Im Interview der Deutschen Presse-Agentur sagt der 33-Jährige aber auch: «Eine gewisse Unsicherheit ist natürlich da.» Außerdem sieht er eine hohe Belastung auf die Spieler zukommen – und er verrät, wann aus seiner Sicht die Chance besteht, den großen Meisterschaftsfavoriten THW Kiel zu attackieren.
Am Donnerstag nimmt die Bundesliga nach monatelanger Pause den Spielbetrieb wieder auf. Überwiegt die Vorfreude? Oder mit welchen Gefühlen blicken Sie dem Saisonstart entgegen?
Uwe Gensheimer: Wenn ich jetzt nur von mir als Spieler ausgehe, überwiegt die Vorfreude auf jeden Fall. Wir hatten ja noch nie so eine lange Pause wie jetzt, außer als ich mal an der Achillessehne verletzt war. Jetzt zum ersten Mal seit März wieder Pflichtspiele zu haben, da freut man sich als Spieler einfach drauf. Aus Sicht der Clubs ist die wirtschaftliche Situation weiterhin katastrophal. Das tut natürlich weh. Auch emotional wird es anders sein, ein paar Zuschauer können eine volle Halle natürlich nicht ersetzen.
Die Zuschauerkapazität der Arenen darf zu maximal 20 Prozent ausgelastet werden. Macht das für die Vereine wirtschaftlich überhaupt Sinn?
Gensheimer: Die 20 Prozent sind für uns natürlich nicht ausreichend, da brauchen wir nicht drumherum zu reden. Wir freuen uns, dass immerhin schon wieder ein paar Zuschauer rein dürfen. Aber klar würden wir uns noch mehr freuen, wenn diese Zahl künftig steigen würde.
Glauben Sie denn, dass die Saison wie geplant zu Ende gespielt werden kann?
Gensheimer: Eine gewisse Unsicherheit ist natürlich da. Ich hoffe, dass wir mit dem Konzept der Liga einen konstanten Spielbetrieb gewährleisten können.
Wird den Spielern damit nicht auch mit Blick auf das Privatleben ziemlich viel abverlangt?
Gensheimer: Es wird natürlich darauf geschaut, dass wir unsere Vorbildfunktion erfüllen. Wir sind diejenigen, die den Spielbetrieb aufrechterhalten, außerdem würden wir mit einer Infektion auch unsere Mannschaftskollegen gefährden. Ich unterbreche deswegen jetzt nicht mein tägliches Leben, aber man schaut schon drauf, wo man hinfasst.
Hinzu kommt, dass nun 20 statt 18 Teams in der Bundesliga spielen, die Spieltaktung also noch enger wird. Wird das im Laufe der Saison nochmal ein Thema werden?
Gensheimer: Ich glaube, dass das natürlich ein großes Thema werden wird. Wir sind heilfroh, dass wir wieder spielen können. Aber klar, die Taktung wird extrem sein, wenn man die internationalen Turniere noch dazu nimmt. Dann wird die Frage sein, wie die Trainer es schaffen, die Belastung zu verteilen.
Trotzdem befürworten Sie die Austragung der WM im Januar in Ägypten. Würden Sie denn freiwillig verzichten, wenn die Belastung im Winter zu hoch ist?
Gensheimer: Nein, das ist für mich im Moment kein Thema. Dafür bin ich einfach zu heiß drauf. Nur wenn ich Anzeichen meines Körpers spüren oder mich nicht gut fühlen sollte, wäre es vielleicht anders. Aber wenn ich mich gut fühle, will ich spielen.
Würden Sie dann in der Nationalmannschaft auch als Spielmacher spielen? Bei den Rhein-Neckar Löwen wurden Sie ja zuletzt überraschend auch auf dieser Position eingesetzt.
Gensheimer: Das ist sogar dem Bundestrainer schon aufgefallen, ich habe mit Alfred Gislason auch schon darüber gesprochen. Er meinte, dass er das vielleicht mal ausprobieren wird. Aber bei den Löwen war das eher eine Ausnahme, weil wir einige verletzte Spieler hatten. Trotzdem: Sollte Alfred mich in der Nationalmannschaft dort aufstellen, dann mache ich das.
Sie werden Ende Oktober 34 Jahre alt, trotzdem gelten Sie noch immer als bester Linksaußen der Welt. Wie lange wollen Sie noch spielen?
Gensheimer: Schauen wir mal. So lange kein Jüngerer besser ist, geht’s noch (lacht).
Noch einmal zurück zur Bundesliga: Was kann den THW Kiel auf dem Weg zur nächsten Meisterschaft aufhalten?
Gensheimer: Verletzungen.
Sonst nichts?
Gensheimer: Im Ernst, sie sind mit Sicherheit nicht schlechter geworden im Vergleich zum letzten Jahr. Jetzt haben sie sogar noch Sander Sagosen und damit einen Spieler geholt, durch den die Ansprüche nicht kleiner geworden sind. Aber vielleicht gibt es im Dezember eine Chance, sie zu attackieren, weil sie dann ja auch noch das Finalturnier der Champions League spielen müssen. Da könnte es dann vielleicht passieren, dass die Einstellung und Konzentration auf die Bundesliga-Spiele etwas weggeht.
ZUR PERSON: Uwe Gensheimer (33) ist Kapitän der Handball-Nationalmannschaft und zählt zu den besten Spielern der Welt. Seit 2019 spielt der Linksaußen wieder in der Bundesliga für die Rhein-Neckar Löwen, mit denen er 2016 die deutsche Meisterschaft gewonnen hat.
© dpa-infocom, dpa:200927-99-732176/3