Cuenca (dpa) – Die Trennung von Trainer Kristján Andrésson hat die Rhein-Neckar Löwen unter Druck gesetzt. Nach der Beurlaubung des Isländers steht der kriselnde Handball-Bundesligist vor vielen Fragen, und er hat nur wenig Zeit, sie zu beantworten.
Beim 33:28 (16:16)-Sieg im EHF-Pokal bei Liberbank Cuenca betreute Sportchef Oliver Roggisch das Team gemeinsam mit Drittliga-Coach Michel Abt. Für den Trainer der 2. Mannschaft hatte kurzfristig noch ein Flug nach Spanien gebucht werden müssen. Wie es nun weitergeht, ist völlig offen.
Abt ging davon aus, dass es bei einer einmaligen Angelegenheit bleibt. Allerdings steht schon am 26. Februar (19.30 Uhr) das Rückspiel gegen den spanischen Erstligisten an. Es bleibt den Löwen also nicht viel Zeit, bis dahin eine neue Lösung zu präsentieren. Zumal der Club bis zuletzt einen Trainerwechsel unbedingt vermeiden wollte und entsprechend auch keine schnelle Alternative parat hatte. Deshalb ist vollkommen unklar, ob der Verein die Runde mit Abt zu Ende bringen, einen erfahrenen Interimstrainer bis Saisonende oder gleich einen Coach für ein längerfristiges Engagement verpflichten will.
Sofort zu haben wäre beispielsweise der gerade als Bundestrainer freigestellte Christian Prokop. Eher ins Profil passt allerdings Ljubomir Vranjes, der große Erfolge mit der SG Flensburg-Handewitt gefeiert hatte und zuletzt mit der slowenischen Nationalmannschaft überraschend ins EM-Halbfinale eingezogen war. Er steht aber beim schwedischen Erstligisten IFK Kristianstad unter Vertrag. Kurzum: Die Suche nach einem neuen Coach könnte sich ein wenig hinziehen.
Die Trennung von Andrésson war aus Sicht der Mannheimer unvermeidbar. Nach dem zuletzt enttäuschenden 29:29-Unentschieden in der Bundesliga gegen den TBV Lemgo reifte der Entschluss, den erst zu Saisonbeginn als Nachfolger von Erfolgscoach Nikolaj Jacobsen verpflichteten und mit einem Vertrag bis 2022 ausgestatteten Andrésson zu beurlauben. Geschäftsführerin Jennifer Kettemann sprach von einem Schritt, der «notwendig» gewesen sei.
Fraglos spielt der zweifache deutsche Meister bislang eine enttäuschende Runde. Aus dem DHB-Pokal sind die Löwen bereits ausgeschieden, und in der Bundesliga haben sie sechs Minuspunkte mehr auf dem Konto als der Tabellenzweite SG Flensburg-Handewitt. In diesem Jahr haben sie in der Liga überhaupt noch nicht gewonnen und damit einen kaum noch aufzuholenden Rückstand. Daher wird auch die angepeilte Champions-League-Teilnahme ziemlich sicher verpasst.
Sogar die erneute Qualifikation für den EHF-Pokal ist gefährdet. Kurzum: Die Nordbadener befinden sich in ihrer schwersten Krise seit dem Bundesligaaufstieg 2005. Doch Spielmacher Andy Schmid will die Misere nicht nur am gerade entlassenen Trainer festmachen: «Kristján Andrésson ist auf keinen Fall der Alleinverantwortliche für diese Krise. Jeder Spieler hat dazu beigetragen, dass es so weit gekommen ist», sagte der Spielmacher dem «Mannheimer Morgen».