Hannover (dpa) – Über Alfred Gislason muss man nicht viele Worte machen. Der 60 Jahre alte Isländer gilt als Trainer-Ikone im Handball – und soll nun die deutsche Nationalmannschaft endlich wieder zu Medaillen führen.
Und doch gibt es erhöhten Redebedarf, wenn der Deutsche Handballbund den langjährigen Erfolgscoach heute (11.30 Uhr) in Hannover offiziell als Nachfolger von Christian Prokop vorstellt. Denn die Trennung vom bisherigen Bundestrainer hat neben Prokop auch die Mannschaft kalt erwischt.
«Es überrascht mich natürlich, weil die Frage während des Turniers ausgeräumt wurde», sagte Kreisläufer Jannik Kohlbacher von den Rhein-Neckar Löwen über das am 6. Februar vom DHB-Präsidium verkündete Aus für Prokop. Neben den Nationalspielern erwartet auch Teammanager Oliver Roggisch von der Verbandsspitze eine schlüssige Erklärung für die Trennung.
Immerhin hatte die DHB-Führung Prokop am Ende der EM noch demonstrativ den Rücken gestärkt – obwohl das deutsche Team mit Platz fünf erneut das Medaillenziel verpasst hatte. «Dazu passt die Handlungsweise nun gar nicht», sagte Weltmeister Christian Schwarzer der «Pforzheimer Zeitung».
Auch Meistertrainer Maik Machulla von der SG Flensburg-Handewitt konnte den Schritt nicht nachvollziehen. «Es kommt für mich sehr überraschend, weil ich finde, dass Christian bei der EM ein gutes Ergebnis erzielt und die Mannschaft gezeigt hat, dass sie lebt und Moral hat», sagte Machulla. «Ich hätte ihm auch zugetraut, die Mannschaft zu Olympia zu führen.»
Für Kapitän Uwe Gensheimer war die Nachricht ein Schock – und auch seine Teamkollegen wurden von dem Trainer-Beben überrascht. «Christian hat einen guten Job gemacht und war bei den Spielern sehr beliebt. Wir haben uns echt wohl gefühlt», beschrieb Rückraumspieler Julius Kühn von der MT Melsungen das Verhältnis zwischen Prokop und der Mannschaft.
EM-Shootingstar Timo Kastening schickte am Sky-Mikrofon sogar einen Dank an den 41-Jährigen. «Christian hat es mir ermöglicht, mein erstes Turnier zu spielen. Dafür werde ich immer dankbar bleiben», sagte der Rechtsaußen von der TSV Hannover-Burgdorf. «Aber bei einem Trainer entscheiden immer die Vorgesetzten und nicht die Mannschaft. Das hat man dann zu akzeptieren. Ich kann jetzt nur nach vorne gucken.»
Und die Zukunft heißt Alfred Gislason. Der Isländer muss sich schnell in seinen neuen Job einarbeiten, denn schon Mitte April steht in Berlin die Olympia-Qualifikation gegen Schweden, Slowenien und Algerien an. Für das Tokio-Ticket muss die DHB-Auswahl bei dem Turnier mindestens Zweiter werden.
«Alfred ist eine Trainer-Legende. Ich glaube, er wird das sehr, sehr gut machen», sagte Melsungens Nationalspieler Kai Häfner. Ähnlich sieht es Machulla: «Alfred ist jemand, der unglaubliche Erfahrung hat und weiß, wovon er redet. Das ist gut für die Mannschaft.»