Stockholm (dpa) – So richtig wird es Ljubomir Vranjes auch selbst wohl immer noch nicht begreifen können. Es ist gerade mal rund einen Monat her, dass der ehemalige Erfolgstrainer der SG Flensburg-
Handewitt als neuer Nationalcoach Sloweniens vorgestellt wurde.
Seine Berufung kam kurz vor der Handball-EM, so dass der 46-Jährige es nicht mal mehr ins offizielle Programmheft des Turniers schaffte. Aber jetzt ist Vranjes plötzlich einer der Hauptdarsteller dieser EM und macht mit den Slowenen das, was der deutschen Mannschaft verwehrt blieb: Er greift völlig überraschend nach einer Medaille.
«Wir sind gerade mal seit einem Monat zusammen, darum bin ich sehr zufrieden», sagte der Schwede. «Wir haben eine gute Chemie, gute Energie, also alles funktioniert ziemlich gut.» Am Freitag (20.30 Uhr) trifft er im Halbfinale in Stockholm mit seiner Mannschaft auf Titelverteidiger Spanien. Im zweiten Duell spielen davor um 18.00 Uhr Vize-Weltmeister Norwegen und Kroatien um das Final-Ticket. Vielleicht kommt es für eines von beiden Teams dann am Sonntag (16.30 Uhr) zum Gold-Duell mit den Slowenen in Vranjes‘ schwedischer Heimat. Es wäre die vorläufige Krönung seines Last-Minute-Engagements.
«Er hat uns neue Energie gebracht, ist ein anderer Typ Trainer. Er ist sehr ruhig, taktisch versiert. Er gibt uns etwas Neues», sagte Sloweniens Rückraumspieler Jure Dolenec vom FC Barcelona. Vranjes ist damit ein ganz anderer Typ Trainer als sein Vorgänger Veselin Vujovic, von dem sich der slowenische Verband nach einem erneuten verbalen Aussetzer im vergangenen November getrennt hatte. Und die Maßnahme zeigte Wirkung. Nach 16 Jahren führte Vranjes die Slowenen erstmals wieder in ein EM-Halbfinale. Ihre Defensive zählt unter dem Schweden mit serbischen Wurzeln zu den besten dieses Turniers. Zudem verfügt Slowenien dank Spielern wie Dolenec über individuelle Klasse.
«Ich glaube, dass sich die slowenische Mannschaft gut entwickelt hat, und dass es stimmt in der Truppe. Sie haben eine realistische Chance, die Spanier zu schlagen. Ich traue ihnen das Finale zu», sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. «Vranjes hat beides: Den schwedischen Kopf und das Balkan-Herz. Das ist eine gute Kombination. Es passt zwar nicht immer, wie wir in manchen Stationen gesehen haben, aber sehr oft.»
Beim ungarischen Top-Club KC Veszprem hatte es zuvor nicht gepasst. Das kurze Missverständnis war im Herbst 2018 nach gut einem Jahr beendet worden, zuvor hatte Vranjes mit den Flensburgern unter anderem die Champions League gewonnen. Seit März trainiert er nun den schwedischen Club IFK Kristianstad, parallel kam der Job bei den Slowenen dazu. Es scheint wieder zu passen – und vielleicht führt das ja sogar zum ganz großen Coup.