Wien (dpa) – Die angebliche Favoritenrolle lächelt Domagoj Duvnjak weg. Der Kapitän der kroatischen Handballer kennt die deutsche Mannschaft bestens, und er will darum auch gar nicht den Fehler machen, sie trotz einer bisher eher mäßigen EM zu unterschätzen.
Wer denn im direkten Duell der beiden Top-Teams am Samstag (20.30 Uhr/ZDF) in Wien der Favorit sei, wurde der Rückraumstar des THW Kiel gefragt. Der 31-Jährige überlegte, der seit bald elf Jahren in der Bundesliga spielt, nicht mal eine Sekunde lang: «Deutschland», antwortete Duvnjak ohne eine Miene zu verziehen. «Das wird ein sehr schweres Spiel für uns. Deutschland hat eine überragende Mannschaft, eine Weltklasse-Mannschaft.»
Wozu die DHB-Auswahl fähig ist, konnte sie bei dieser Europameisterschaft bislang allerdings nur beim erfolgreichen Start in die Hauptrunde gegen Weißrussland (31:23) zeigen. Die Kroaten dagegen spielen bislang ein auffällig souveränes Turnier im Stile einer Spitzenmannschaft. Alle vier Spiele haben sie gewonnen und sich damit eine gute Ausgangslage mit Blick auf das angepeilte Halbfinale geschaffen. Mit einem weiteren Erfolg am Samstag könnten sie die Medaillenträume der Deutschen vorzeitig beenden. Der größere Druck liegt also beim Team von Bundestrainer Christian Prokop. Aber Duvnjak warnt.
Der Welthandballer von 2013 hat schon viele Spiele gegen Deutschland erlebt, «viele verloren auch», wie er vor dem erneuten Duell mit der DHB-Auswahl sagte. Allein im vergangenen Jahr gingen alle drei Spiele gegen Deutschland knapp verloren. Dennoch spricht vor dem erneuten Aufeinandertreffen der beiden großen Handball-Nationen diesmal sehr viel für Kroatien: die aktuelle Form, die Besetzung des Kaders – und die Unterstützung der Fans. Selbst beim Auftaktsieg gegen Co-Gastgeber Österreich bildeten etliche kroatische Fans ein lautstarkes Gleichgewicht zu den Anhängern der Österreicher. Gegen Deutschland sollen laut Duvnjak noch mehr Kroaten nach Wien kommen.
«Es wird interessant gegen die Deutschen, weil auch sie viele Fans in Wien haben. Es wird ein Duell auf dem Spielfeld, aber auch auf den Rängen geben», sagte Rückraumspieler Igor Karacic. Das kroatische Sportblatt «Sportske Novosti» bezeichnete anders als Duvnjak und unabhängig von der Fan-Unterstützung die Kroaten als Favorit. «Aktuell sind wir sichtbar stärker als Deutschland», schrieb die Zeitung am Freitag. «Es wird sehr interessant sein zu sehen, ob sie irgendetwas in ihrem Spiel ändern können.»
Möglicherweise hat sich die DHB-Auswahl mit dem Erfolg gegen die Weißrussen rechtzeitig zum Schlüsselspiel gegen Kroatien in Form gebracht. Wie die Stimmung im deutschen Team ist, wollte Duvnjak noch herausfinden. Da die Kroaten in Wien im selben Hotel wie die Deutschen wohnen, nahm der Rückraumstratege sich vor, einen Kaffee mit seinen Kieler Teamkollegen Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler zu trinken. «Aber wir machen keine Wette», scherzte er. «Wir wollen das Turnier einfach genießen.»