Weißrussland als Stimmungsdämpfer? – DHB-Team gewarnt

Wien (dpa) – Uwe Gensheimer kann sich noch genau an die impulsiven Ausbrüche von Juri Schewzow erinnern. Und doch verlor der Kapitän der deutschen Handballer vor dem Wiedersehen mit dem Trainer von Weißrussland in der EM-Hauptrunde kein schlechtes Wort über seinen Ex-Coach.

«Die Zeit unter ihm hat mir nicht geschadet, sondern hat mich vorangebracht. Auch wenn es den einen oder anderen Anschiss gab», erzählte Gensheimer.

Von 2005 bis 2008 machte der 33 Jahre alte Linksaußen bei den Rhein-Neckar Löwen unter Schewzow die ersten Schritte in seiner Profikarriere. «Das war für mich der Einstieg in den Männer-Handball. Da habe ich gemerkt, dass es im Ton auch einmal rauer zugeht», berichtete Gensheimer. «Er war einer meiner ersten Trainer in der Bundesliga, ein großer Förderer von mir – auch wenn ich oftmals angebrüllt wurde.»

Am Donnerstag treffen beide in der Wiener Stadthalle als Gegner aufeinander. Verliert die DHB-Auswahl diese richtungsweisende Partie, könnte der Traum vom Halbfinale schon früh zu Ende sein. Das Duell mit den Weißrussen sei ein «Endspiel», sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning.

Dass Weißrussland längst kein Leichtgewicht im internationalen Handball mehr ist, wurde bei dieser Europameisterschaft in der Vorrunde deutlich. Schewzows Mannschaft qualifizierte sich mit Siegen gegen Serbien (35:30) und Montenegro (36:27) für die nächste Turnierphase. Nur Mitfavorit Kroatien (23:31) war eine Nummer zu groß. Deutlich besser in Form als die phasenweise stark verunsichert wirkende DHB-Auswahl scheinen die Weißrussen aber dennoch zu sein. «Er hat viel Positives bewirkt. Sie spielen einen guten Handball», lobte Gensheimer die Arbeit von Schewzow.

Unter dem 60-Jährigen, der in Deutschland unter anderen auch den TBV Lemgo und TuSEM Essen trainierte, nimmt Weißrussland zum vierten Mal in Serie und zum sechsten Mal überhaupt an einer EM teil. Bei der Premiere 1994 gab es den bisher einzigen Sieg gegen die DHB-Auswahl (24:23).

Schon 2014, 2016 und 2018 standen die Weißrussen, die derzeit über einen der torgefährlichsten Spieler des Turniers verfügen, in der Hauptrunde. Artsem Karalek hat bereits 19 Treffer erzielt, 76 Prozent seiner Würfe landeten im gegnerischen Tor. Zum Vergleich: Der normalerweise treffsichere Gensheimer hat bisher zehnmal getroffen mit einer Effektivität von 63 Prozent. Insgesamt erzielte Weißrussland in der Vorrunde 94 Tore – sechs mehr als der WM-Vierte.

Die DHB-Auswahl dürfte also gewarnt sein – zumal sie nach Ansicht von Schewzow noch «nicht ins Turnier gefunden hat». Das lässt selbst den erfahrenen Trainer von einer sportlichen Überraschung träumen, auch wenn Deutschland natürlich der Favorit sei. «Wir sind sehr ausgeglichen besetzt und daher schwer auszurechnen», sagte Schewzow und kündigte an: «Wir werden alles geben.»