Trondheim (dpa) – Johannes Bitter kennt solche Partien. Der 37 Jahre alte Torwart-Routinier der deutschen Handballer ließ sich daher auch vor dem richtungsweisenden EM-Topspiel am Samstag (18.15 Uhr/ARD) gegen Titelverteidiger Spanien nicht aus der Ruhe bringen.
Der Weltmeister und Champions-League-Sieger saß vergleichsweise entspannt auf seinem Stuhl im Teamhotel in Trondheim, von einer «Alles-oder-Nichts-Partie» wollte er nichts wissen. Stattdessen lockte er die Iberer. «Wollen wir mal sehen, ob sie uns schlagen können», sagte der Keeper des TVB Stuttgart. «Aber auch danach wird nichts verloren sein.»
Die Bedeutung dieses Klassikers wird aber auch Bitter nicht zurückweisen können. Das Spiel gegen den Europameister ist für die DHB-Auswahl zwar erst das zweite beim Turnier in Norwegen, Österreich und Schweden. Dass es dennoch so wichtig ist, hat mit dem Modus zu tun. Die ersten beiden Teams jeder Vorrundengruppe erreichen die nächste Turnierphase – und sie nehmen jeweils die Plus- oder Minuspunkte aus dem Match gegen die ebenfalls qualifizierte Mannschaft mit. Da Deutschland und Spanien vermutlich beide als Top-Favoriten in die Hauptrunde kommen, würde die DHB-Auswahl also bei einem Sieg gegen die Spanier zwei Punkte mitnehmen – oder bei einer Niederlage dagegen zwei Minuspunkte.
«Spanien ist eine Top-Mannschaft im internationalen Handball, das beweisen sie jedes Turnier», sagte Bundestrainer Christian Prokop. «Sie gehen sicher auch ins morgige Spiel als Favorit.» Neben dem Coach saß DHB-Vizepräsident Bob Hanning, der sich auf einen «Klassiker» des internationalen Handballs freute. «Das ist wirklich ein absoluter Schlager», sagte der 51-Jährige. «Das ist anders, als wenn man gegen Norwegen oder Dänemark spielt. Spanien ist wirklich ein Schlüsselspiel.» Etwa bei den Olympischen Spielen 2000 und 2004 hatte es Krimis gegen Spanien gegeben, auch das erfolgreiche Viertelfinale bei der Heim-WM 2007 ist noch vielen in Erinnerung.
Bei dem Turnier vor dreizehn Jahren war auch Bitter schon dabei. Nicht nur deshalb weiß der erfahrene Keeper, worauf es in solchen Spielen ankommt: «Grundsätzlich müssen wir die Ruhe bewahren. Was ich im Videostudium gesehen habe, hatte bereits Hand und Fuß. Das sah nach einer sehr guten Lösung aus.»
Zudem kann Prokop auf all seine 16 Spieler zählen, auch der nach dem Auftaktsieg gegen die Niederlande (34:23) leicht angeschlagene Paul Drux ist fit. Im Vergleich zum erfolgreichen Start in die Europameisterschaft muss sich die DHB-Auswahl aber steigern, um auch gegen den Titelverteidiger zu bestehen.
Massive Bedeutung wird die Defensive haben. Der Abwehrverbund um Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek wird gegen die wuchtigen Spanier erstmals in diesem Turnier richtig gefordert sein. Darüber hinaus sollen die Chancenverwertung und das Tempospiel besser werden als noch im ersten Spiel. «Wir wollen voll angreifen, und selbst wenn Fehler passieren, nicht aufstecken», sagte Prokop, der auch über seinen kuriosen Aussetzer während einer Auszeit im Niederlande-Spiel lachen konnte. Dass ihm der Name seines Rechtsaußen Timo Kastening nicht eingefallen war, sei eine «Wortfindungsstörung» gewesen.
Kurz darauf wirkte der 41-Jährige aber schon wieder fokussiert. Auch in den letzten Stunden vor dem Spiel wird er sich wohl wieder dem intensiven Videostudium des nächsten Gegners widmen. «Das Spiel hat natürlich schon eine Wirkung», sagte Hanning. «Wenn man es gewinnt, hat man es im Verlauf des Turniers schon ein Stück weit leichter.» Das weiß natürlich auch Johannes Bitter, er kennt solche Spiele ja.